Das Jahr der Barmherzigkeit hat in der brasilianischen Stadt LEM, in der Christian Mayr Pfarrer ist, Frucht getragen: Die Kirche eröffnete ein Haus für Obdachlose und die zahlreichen mittellosen Durchreisenden und Arbeitssuchenden.
Ausgabe: 2017/02
10.01.2017 - Josef Wallner
Seit 1995 ist Christian Mayr Priester in der Diözese Barreiras. Lange Jahre war er enger Mitarbeiter von Bischof Richard Weberberger aus dem Stift Kremsmünster, der als der erste Bischof von Barreiras beeindruckende Aufbauarbeit geleistet hat, die bis heute weiterlebt. Spirituelle Begleitung der Menschen und politischer Einsatz gehen dabei Hand in Hand.
Glaube und Kapitalismus vereint
„Wie vor vier Jahren haben wir auch heuer bei uns wieder ein Komitee gegen Wahlkorruption eingesetzt“, erzählt Pfarrer Christian Mayr über die Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen. In der Millionenstadt Rio de Janeiro gewann ein evangelikaler Bischof die Wahl. Diese neuen Pfingstkirchen nach amerikanischem Stil kombinieren Glaube mit dem Kapitalismus. „Das Geld scheint ein Sakrament zu sein und ein Zeichen für den Segen Gottes“, so der Pfarrer. Auch in seiner mehr als 70.000 Einwohner zählenden Stadt LEM (abgekürzt für Luis Eduardo Magalhães) wurde ein evangelikaler Christ Bürgermeister, nach achtjähriger Unterbrechung das zweite Mal. Damals bezahlte er aus dem Gemeindebudget das Gehalt für 30 Pastoren. Pfarrer Mayr befürchtet, dass er wieder ähnlich agieren wird. Aber gleichzeitig wird er versuchen, die Katholiken mit Geschenken ruhigzustellen und sich die Unterstützung der Nichtpraktizierenden mit Karneval und kostenlosen Popkonzerten zu sichern. „Obwohl es in Glauben und Moral eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit den Evangelikalen wie zum Beispiel im Bekenntnis zur Dreifaltigkeit, im Einsatz für die Familien und gegen die Abtreibung gibt, können wir bei ihrer Intoleranz gegen die afroamerikanischen Religionen, gegen Heiligenverehrung, Sozialismus und ihrer Ablehnung von homosexuellen Menschen nicht mitmachen.“
Das Elend der Gefangenen
LEM ist eine schnell wachsende Stadt, entsprechend rasch wachsen auch die sozialen Probleme. Die Eröffnung eines Hauses der Barmherzigkeit für Menschen, die vom wirtschaftlichen Aufschwung nicht profitieren können, war eine erste Antwort auf die Not. Auch einen „Bauernhof der Hoffnung/Fazenda da Esperança“ für drogenabhängige Mädchen wird Pfarrer Mayr mit Mitstreiter/innen in LEM errichten. Wie in Barreiras setzt er sich in seiner jetzigen Pfarre für die Gefangenen ein. Im Polizeigefängnis von LEM, das vor zwei Jahrzehnten für zwölf Häftlinge gebaut wurde, sitzen, stehen und liegen in Hängematten übereinander mittlerweile 90 Häftlinge. Ein Insasse hat nicht einmal einen ganzen Quadratmeter zur Verfügung – und das bei der Hitze Brasiliens.
Pastoral am Stadtrand
Neben all seinem Engagement für die Notleidenden steckt Christian Mayr noch in der alltäglichen Pfarrarbeit. Seine Pfarre umfasst auch jene Bereiche der Peripherie, wo sich die Stadt am schnellsten ausdehnt. „Jedes Jahr kommen neue Stadtviertel hinzu. Da Schritt zu halten ist nicht einfach.“ Pfarrer Mayr wird von fünf Ordensfrauen, zwei Diakonen und vielen mehr unterstützt, aber es bleibt dennoch viel an ihm hängen. Die Gemeinschaften und Kirchenbauten in der Peripherie haben absoluten Vorrang, skizziert er die große Herausforderung für das neue Jahr 2017.