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Das Künstlerische, sagt Stefan Schörgendorfer, habe ihm schon immer gefallen. Er nimmt die Staubmaske vom Gesicht und erzählt von seiner doch sehr erstaunlichen Berufskarriere. Koch ist er gewesen in einem renommierten Linzer Hotel, „Sous-Chef“ sogar. Gleich nach dem Chef war er der Zweite in der Küche. Zwölf Jahre hat Stefan das gemacht und es hat ihm gut gefallen. „Das war mein Leben“, sagt er. Die Achtung vor dem Lebensmittel, der sorgsame Umgang damit. Das war ihm wichtig.
Da gab es einen Knick im Leben. Die unregelmäßigen Arbeitszeiten trugen viel dazu bei. Die Ehe, damals mit zwei Kindern, ging auseinander. Stefan musste sich neu orientieren.
Zeichnen. Formen. Modellieren. Das Kneten. Das Schaffen mit den Händen. Das hat Stefan schon als Bub gern gemacht. Als Koch konnte er diese Neigung gut anwenden. Jetzt wieder. Nur das Material ist härter geworden.
Der gebürtige Gallneukirchner lebt in einer neuen Beziehung, mit seiner Frau hat er zwei weitere Kinder – Zwillingsmädchen. Fünfeinhalb Jahre sind sie. In Rauris hat Stefan Schörgendorfer erneut eine Lehre begonnen: Steinmetz. Als Koch war der Teig sein Material. Jetzt ist es der Stein. Im siebenten Jahr ist er nun schon in Linz an der Dombauhütte beschäftigt. Seine Augen leuchten, wenn er erzählt, welch tolle Arbeitsstelle das ist. Ein Privileg, sagt er, sei es, hier arbeiten zu dürfen. Da wird nicht nach Norm fabriziert. Es ist Arbeit an Einzelstücken. Die frische Luft da oben, die gigantische Aussicht über die Stadt, schwärmt Stefan. Die nächsten Jahre wird er viel da oben sein, wenn die Turmspitze saniert werden wird. Angst hat er davor nicht, er war ja schon oft oben, wenn etwa Wasserabläufe zu reinigen waren.
Es gibt nicht viele so großartige Arbeitsstellen für einen Steinmetz auf der Welt, ist er überzeugt. Dombauhütten gibt es nur zwei in Österreich: beim Stephansdom und eben hier in Linz. Die Arbeit, die Leistung der Vorgänger, die lernte Stefan hier schätzen. Sie verlangen ihm Respekt ab, denn damals gab es noch kaum Hilfsmittel. Am Werk der Meister der Vergangenheit darf er nun weiterarbeiten – und er will es mit Sorgfalt tun. Und nach wie vor kocht Stefan gern – daheim, für die Familie.
Stefan Schörgendorfer ist einer von dreien. Rudolf Eremia ist schon seit 40 Jahren – sein ganzes Berufsleben lang – Steinmetz am Mariendom. Gerade hat er im Pausenraum, der zugleich Büro ist, eine Zeichnung von Werkstücken angefertigt, die sie demnächst in Stein ausbilden werden. Zwar liegen die Tausenden Detailpläne auch in digitaler Form auf, aber Eremia will mit der Suche am Computer nicht Zeit verschwenden. Papier und Bleistift tun es auch, und bis die digitalen Pläne da sind, hat er die Zeichnung längst fertig.
Ein wenig spiegelt die Linzer Dombaustelle die Wunden der Welt wider. Einer der Steinmetze ist syrischer Christ. 2015 kam Feras Albiter als Flüchtling nach Oberösterreich. Daheim war er selbstständiger Steinmetz gewesen. Vor den Bomben ist er mit seiner Familie geflüchtet, mit der heute achtjährigen Tochter und dem sechsjährigen Sohn. „Wir sind sehr zufrieden mit ihm“, stellt ihm Eremia ein gutes Zeugnis aus. Seit einem Jahr verstärkt Feras das Team der Linzer Dombauhütte.
Im Winter wird vorwiegend in der Hütte gearbeitet. In der warmen Jahreszeit geht es ins Freie, hinauf in die Höhe. Sehnlich warten die Steinmetze auf wärmeres Wetter, dass die Arbeit draußen endlich wieder in Angriff genommen werden kann. Gerüste stehen bereits. Ein Gesimse ist fertig und wartet darauf, montiert zu werden. Damals, erzählt Eremia, gab es noch viel weniger Hilfsmittel. Heute achtet der Chef – Gerhard Fraundorfer – darauf, dass sich seine Leute nicht überheben. Es gibt Flaschenzüge in der Werkstatt, freilich händisch betrieben.
Jetzt laufen die Vorbereitungen für die große Domsanierung, die zehn Jahre in Anspruch nehmen wird. Nächstes Jahr wird es mit der Arbeit selbst losgehen. Für Eremia werden es noch fünf Jahre sein. „Das ziehen wir noch durch“, sagt er und meint das Sanierungsprojekt, das den Finanzverantwortlichen noch viele Sorgen bereitet. Froh ist er, dass all die Jahrzehnte auf der Dombauhütte nie ein Unfall passiert ist – abgesehen von gelegentlich eingezwickten Fingern, und dass er sich die Ferse einmal beim Sturz von einer Stehleiter ziemlich lädiert hat. Aber sonst ist alles gut gegangen. Gott sei Dank.
Oben, auf der Höhe des Dom-Dachbodens, zeigen die drei Steinmetze die letzten Arbeiten, die sie ausgeführt haben. Ein neu restauriertes Türmchen neben einem, das erst hergerichtet werden muss. An einer gegenüberliegenden Baustelle wird am Dach gearbeitet – bei Minusgraden.
Bitte um Spende
Innerhalb der nächsten zehn Jahre muss der Linzer Mariendom saniert werden. Begonnen wird mit der Turmspitze. Die Initiative Pro Mariendom bittet um Spenden für die Erhaltung des Mariendoms. Diözese, Land und Stadt Linz helfen zusammen. Der Dom wurde damals mit Spenden der Bevölkerung gebaut. Auch jetzt bittet Pro Mariendom um Ihre Mithilfe. Benutzen Sie bitte den Spendenerlagschein in dieser Ausgabe.
Erwin Schrott über den Linzer Mariendom
Der Mariendom ist ein Kunstwerk – ein Meisterstück, an dem 62 Jahre lang gearbeitet wurde. Für mich war es eine besondere Erfahrung, nach meinem Konzert bei „Klassik am Dom“ den Dom zu besuchen. Ich war sehr beeindruckt: Der Dom strahlt eine besondere spirituelle Stimmung von Ruhe und Stille aus, etwas, das man nicht in einer so lebendigen Stadt wie Linz erwarten würde. Auch der Platz vor dem Mariendom ist außergewöhnlich. Ich denke, er kann die Stimmung von allen – Publikum und Künstlern – in einer sehr positiven Weise beeinflussen. Als Künstler sieht man selten den ganzen Raum vor sich – das Publikum hat üblicherweise die beste Sicht. Das war das Großartige bei „Klassik am Dom“, dass ich den ganzen Platz vor mir genießen konnte und, während ich gesungen habe, immer auch den Dom im Blick hatte.
Erwin Schrott, Opernstar und mehrmals Gast bei „Klassik am Dom“ in Linz.
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