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Das US-Höchstgericht hat mit einer Richtermehrheit von sechs gegen drei entschieden, dass sich aus der US-Verfassung kein Recht auf Abtreibung ableiten lässt. Egal, wie man zur Abtreibungsfrage steht: Die Art, wie eine Mehrheit der Richter ihre Entscheidung begründet, ist juristisches Steinzeitniveau.
Fünf Richter argumentieren, es gebe kein geschriebenes Recht auf Abtreibung und ein solches sei auch historisch nicht verbürgt. Das entspricht keiner akzeptablen Grundrechtssprechung.
Stattdessen wären Grundrechte auszulegen und gegeneinander abzuwägen gewesen. Das Grundrecht der Freiheit würde u. a. zu folgenden Abwägungen führen: Darf ein Staat eine vergewaltigte Frau zwingen, die durch ein Verbrechen bewirkte Schwangerschaft fortzusetzen und ihre Freiheit einschränken, über den eigenen Körper zu verfügen? Welche Rechte kommen dem Ungeborenen zu – und ab wann?
Statt zu argumentieren, lehnt die Richtermehrheit nur die bisherige Regelung ab. Einzig der Vorsitzende John G. Roberts, der das Urteil mitträgt, argumentiert differenzierter. Die Auskwirkungen kamen prompt: Arkansas, Kentucky und Louisiana verbieten jetzt Abtreibungen auch bei Vergewaltigung oder Inzest.
Übrigens: Dieselbe Richtermehrheit hat jüngst ein das Waffentragen einschränkendes Gesetz des Staates New York gekippt, weil die Verfassung 1791 das Tragen von Waffen erlaubte. Das ist wie im Wilden Westen.
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