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Von „Lichtverschmutzung“ ist seit geraumer Zeit die Rede – jener künstlichen Erhellung der Nacht, die es an keinem Winkel mehr wirklich finster werden lässt. Wege, Dörfer, Fabriken erhellt bis in den nächsten Morgen. An immer weniger Orten lässt sich die Pracht der Gestirne in ihrer Natürlichkeit wahrnehmen. Allmählich beginnen Menschen zu verstehen, dass damit nicht nur etwas gewonnen wurde, sondern dass viel verloren ging.
Alles ans Licht! Transparenz! Das ist eine politische Grundformel, die für das Funktionieren demokratischer Staaten für unabdingbar gilt. Die gesellschaftlichen Vorgänge werden ausgeleuchtet bis ins Letzte – oft mit wenig Rücksicht darauf, ob hier nicht längst die Schutzräume des Privaten verletzt werden.
Gute Nacht – wenn es tatsächlich keine geschützten Winkel des Zusammenlebens mehr gibt und den Menschen keine Verborgenheit mehr zugestanden wird. Eine gnadenlose Welt wäre das. Alles ans Licht gebracht. Und dann?
Nötiger als den Schalter, der alles ins Licht rückt, wäre es, jenen fast vergessenen Hebel zu betätigen, der Vergebung ermöglicht – einen guten Umgang mit Schuld nämlich. „Er lässt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse“, überlässt die Bibel das Urteil Gott (Mt 5,45). So wird ein neuer Morgen möglich.
Es geht nicht alle alles an! Hinter dem vermeintlichen Bedürfnis nach Transparenz verbirgt sich vielleicht oft die sadistische Schaulust, die heimzahlen will – und den Weg des Vergebens scheut. Man darf ein Auge zudrücken. Zwei sogar. Gott hat den Menschen so gemacht.
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