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Wann haben Sie Marlen Haushofer für sich entdeckt?
Marlen Schachinger: Oh, sehr früh, als Kind! Ich bekam „Brav sein ist schwer“ und „Schlimm sein ist auch kein Vergnügen“, verschlang beide; nicht bloß einmal. Selbst heute noch stehen sie in meiner Bibliothek, ziemlich zerlesen; geliebt eben. Als Literatin bewusst wahrgenommen habe ich sie erst Jahre später, an der Universität. Zufällig stieß ich auf „Himmel, der nirgendwo endet“, ein Roman einer Landkindheit. Ach ja, man sollte Haushofer dringend zu ihren sprechenden Buchtiteln gratulieren! Jedenfalls, ich las „Himmel“ und war begeistert. Wie es ihr darin gelingt, alle Geschehnisse aus dem Blickwinkel eines Kindes darzustellen; faszinierend und ein überaus nachhaltiger Leseeindruck, die Kleine in der leeren Regentonne verkrochen, Blick ins Himmelblau – weshalb dieser Band sogleich die Lektüre von „Wir töten Stella“, „Begegnung mit dem Fremden“ und weiterer Erzählungen nach sich zog.
Was schätzen Sie besonders an Marlen Haushofers Werk?
Schachinger: Ihre Kurzprosa ist dicht gewoben, großartig, unbedingt eine Wiederentdeckung wert. Was ich besonders an Haushofer mag: Wiewohl das Ringen um zwischenmenschliche Nähe sich durch ihr Werk zieht, ist doch jedes anders – sprachlich, strukturell; sie überrascht uns immer wieder. Je älter ich werde, umso mehr entdecke ich eine Haushofer mit Sinn für feine Komik, vor allem in den „Begegnungen“!
Die bürgerliche Fassade konnte Marlen Haushofer nur mühsam aufrechterhalten. In der feministischen Rezeption wurde die Qualität ihres Schreibens erst spät entdeckt. Inwiefern war ihr Leben auch emanzipatorisch?
Schachinger: Als ich ihre Biographie recherchierte, erkannte ich während der Lektüre ihres Lebens eine Emotion darin wieder, die mir sehr vertraut war: das Gefühl im „falschen Leben“ gefangen zu sein, am Spagat zwischen äußeren Rollenanforderungen und einem Beruf, der einem innere Lebensnotwendigkeit ist, zu zerbrechen. Einmal schrieb sie: „Dieses Sich-nicht-wehren-Können ist das Leben.“ Analog lässt sich sagen, der Versuch, aus dem „falschen Leben“, dem von außen gesteuerten, zum „richtigen“, also von innen heraus gelebten Leben zu gelangen, zum empfundenen und wahrgenommenen Sein, ist das „wahrhaftige Leben“. Haushofer hat stets versucht, allen Forderungen zu entsprechen; als „emanzipatorisch“ kann man daher ihr „Es muss möglich sein!“ definieren.
Ist das Leben und das Werk von Marlen Haushofer auch für Ihr eigenes Leben und Schreiben inspirierend?
Schachinger: Sie zeigte mir – ich bin Literatin und alleinerziehende Mutter –, dass dieses Leben möglich ist. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, für diesen Denkraum. Unser gleicher Vorname ist kein Zufall; der basiert natürlich auf der Faszination, die Haushofers Werk bis heute hat.Prägend war für mich außerdem ihr literarisches Vermächtnis „Mach dir keine Sorgen“. Es gibt wohl so viele Auslegungen dazu, wie es Kommentator/innen gibt. Mir ist dieser letzte Text tröstlich, weil er implizit aussagt, wie menschlich Scheitern ist. Nicht darum geht es im Leben, sondern darum, Leben zu versuchen.
Welche Werke von Haushofer würden Sie empfehlen?
Schachinger: Mal abgesehen von den bereits erwähnten? Alle anderen! Und Daniela Strigls famose Biographie obendrein.
Zahlreiche Veranstaltungen wären in den Gedenkmonaten März (21. März, 50. Todestag) und April (11. April, 100. Geburtstag) geplant gewesen. Aufgrund der Corona-Krise wurden diese Veranstaltungen abgesagt bzw. verschoben. Wenn neue Termine feststehen, werden diese in der KirchenZeitung bekannt gegeben.
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