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Genau vor einem Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation die globale Krankheitswelle, die durch das „Corona“-Virus ausgelöst wurde, zur Pandemie erklärt. Wie sehr die Pandemie in jede Ritze von Staat, Gesellschaft und Privatleben eingedrungen ist, zeigte sich erst nach und nach. Auch die Kirchen blieben davon nicht verschont. Der Prager Pfarrer und Soziologieprofessor Tomáš Halík hat seine Predigten, die er in der Fasten- und Osterzeit 2020 in seiner menschenleeren Kirche vor der Kamera gehalten hat, nun als Buch herausgegeben. In dem ausführlichen Vorwort, das besonders anregend ist, beschreibt Halík die drei Pfeiler, auf denen seine Pfarre ruht und die sie auszeichnen: Der erste ist die Pflege eines durchdachten Glaubens, der zum Dialog mit der agnostischen und antiklerikalen tschechischen Gesellschaft fähig ist. Der zweite Pfeiler besteht in der Pflege eines beständigen geistlichen Wachstums. Einkehrtage, Meditationskurse und Exerzitien sind für ihn der absolute Schlüsselbereich, weil dort der Glaube Wurzeln schlagen kann. Der dritte Pfeiler besteht in der Pflege eines Engagements von Christ/innen in der bürgerlichen Gesellschaft. Halík hält nichts davon, dass sich die Kirchenmitglieder fromme „Ghettos“ schaffen, sie müssen in der Gesellschaft mitarbeiten. Zu Beginn der Pandemie dachten viele, dass sie wie ein Stromausfall sei, analysiert Halík. Man wartet ein wenig, und wenn der Strom zurückgekehrt ist, nimmt alles wieder seinen gewohnten Lauf. Dem gegenüber meint der Prager Pfarrer: „Die Welt nach dem Coronavirus wird in vielem anders und noch komplizierter sein, als es die Welt vor diesem globalen Ereignis schon war.“ Wichtig sei aber, wie Abraham, der „Vater des Glaubens“, den Ruf Gottes zu hören und ihm zu folgen, auch wenn man nicht weiß, wohin der Weg führt. Halík ist für ein Ernstnehmen der Krise der Kirche, die durch Corona deutlicher sichtbar und verschärft wurde, aber er ist kein Prophet des Untergangs. Er sucht die Botschaft der Krise zu ergründen: „(...) die Zeit der geschlossenen Kirchen nimmt vielleicht eine Zukunft vorweg, in der wir unser Christentum tiefer gründen werden müssen als nur auf den bisher gewohnten religiösen Betrieb, (...).“ Welche Predigt Halíks man auch immer aufschlägt, man findet spannende, zumeist unbequeme Überlegungen wie diese: „Die Bemühung, die Volksfrömmigkeit einer prämodernen Gesellschaft nachzuahmen, die längst ihren Kontext verloren hat, erzeugt im besten Fall Folklore für Touristen, häufig jedoch eine bedauernswerte Peinlichkeit.“
Tomáš Halík: Die Zeit der leeren Kirchen. Von der Krise zur Vertiefung des Glaubens. Herder 2021, 207 Seiten, € 20,60.
Bildtext: Zu den leeren Kirchen schreibt Tomáš Halík: „Und wenn uns die Leere der Kirche an das leere Grab in Jerusalem erinnern wird, dann sollen wir durch diese Leere nicht so sehr betrübt sein, dass wir die Stimmen von oben überhören: Er ist nicht hier; denn er ist auferweckt worden!“
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