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Trauern ist ein Marathon für die Seele. Maya Stomp hat mit 41 Jahren ihren Mann verloren. Plötzlich. Unvermutet. Aus dem Nichts. In diesem Buch erzählt sie einfühlsam und detailreich über ihren Schmerz und ihre depressiven Phasen. Nach fünfzehn Ehejahren war sie nicht mehr „die Hälfte eines Paares“, verlor einen wichtigen Teil ihrer Identität und trauerte nicht nur um die gemeinsame Vergangenheit, sondern auch um die gemeinsame Zukunft, die es nun nicht mehr gab. Sie beschreibt es als „Dominoeffekt“, wie man mit dem geliebten Menschen auch nach und nach frühere „logische Verbindungen“ wie Freunde und Schwiegerfamilie verliert. Und wie sehr gut gemeinte Ratschläge sie innerlich zum Kochen brachten. Irgendwann schafft sie es, ihr Leben neu zu gestalten. Selbstfürsorge, persönliche Rituale und Trostquellen, die Welt wieder entdecken und neue Freunde finden geben ihr neue Kraft. Ihre Erfahrungen gibt Maya Stomp seit einigen Jahren in ihrer Praxis als Trauercoach an Betroffene weiter.
Maya Stomp: Wir Witwen sind ein zähes Volk. Übersetzt aus dem Niederländischen von Waltraud Heitz-Gores. Güthersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-02396-0, 160 Seiten, € 18,50.
Domitian und sein schlechter Ruf. Der römische Kaiser Domitian wurde 96 nach Christus in einer Palastrevolution seiner nächsten Umgebung ermordet, sein Name und sein Andenken wurden daraufhin aus der offiziellen Gedenkkultur des Römischen Reiches gestrichen. Er galt durch Jahrhunderte als ein Beispiel von Caesarenwahn und Grausamkeit – und wie Nero als prominenter Christenverfolger. Während Letzteres von der Forschung schon lange in Abrede gestellt wird, blieb dennoch sein eklatant schlechter Ruf – Hinrichtungen in der eigenen Verwandtschaft inklusive –, für den es keine genaue Erklärung gab. Konrad Vössing, Althistoriker der Universität Bonn, hat nun einen bestechend guten Erklärungsversuch vorgelegt: Demnach ging es dem letztlich ohne Nachfolger dastehenden Kaiser bei seinen Verfolgungsakten in der Familie und in der politischen Elite sowie bei seinem Bestreben um Vergöttlichung schon zu Lebzeiten um Herrschaftssicherung. Vössing kombiniert in seiner Skizze geschickt die wenigen Quellen zu einem stimmigen Gesamtbild.
Konrad Vössing: Kaiser Domitian – der Kampf um seine Nachfolge und seine Göttlichkeit. Verlag F. Schöningh, ISBN 978-3-506-70326-2, 139 Seiten, € 41,10.
Über das „Und“. Das „Und“ (nicht das „Entweder-Oder“) kennzeichnet als antitotalitärtes Muster die Lebensform der renommierten Psychoanalytikerin Ruth C. Cohn (1912–2010). Es verbindet die Pole in ihr selbst und in ihrer Weltwahrnehmung. So charakterisiert Matthias Scharer die Frau, die, aus wohlhabendem Berliner Bürgertum stammend, mehrmals fliehen und in unsicheren Verhältnissen ihr Leben neu organisieren musste. Der emeritierte Innsbrucker Religionspädagoge und seine Ehefrau Michaela haben die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion (TZI) persönlich gekannt und widmen sich seit Jahren der Aufarbeitung ihres Nachlasses in Berlin. – Nun haben sie gemeinsam ein Buch herausgebracht, das nicht nur eine Biographie ist, sondern ganz besonders den Aspekt des Verbindenden in Cohns Denken herausarbeitet und aktuelle Bezüge herstellt, insbesondere zur Thematik Flucht und Migration. Bisher unbekannte Fotos aus dem Cohn‘schen Familienalbum und künstlerische Darstellungen sowie berührende Gedichte Ruth C. Cohns ergänzen den Text. Ein ausführliches Verzeichnis von Anmerkungen zeugt von genauer Arbeit und Recherche, stört aber nicht die Lesbarkeit, die im Übrigen eine höchst angenehme und frei von jeder wissenschaftlichen Attitüde ist. Ein wichtiger Denkanstoß in einer Zeit, in der das Trennende oft über dem Verbindenden steht.
Matthias Scharer: Ruth C. Cohn. Eine Therapeutin gegen totalitätes Denken. Unter Mitarbeit von Michaela Scharer. Patmos-Verlag, ISBN 978-3-843-61176-3, 160 Seiten, € 20, –.
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