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„Hier ist Bruckner täglich mehrmals auf- und abgegangen“, sagt Organist Bernhard Prammer und öffnet vorsichtig die Tür zur Brucknerstiege im Alten Dom, einem Original-Schauplatz mitten in Linz.
Historische Gemäuer, unverputzte Ziegel, weiß gekalkte Wände, zwei Glockenzüge – sie sind nicht mehr aktiv – fallen als erstes auf. Die Stiege führt zur Original-Brucknerorgel. Der Alte Dom war neben der Stadtpfarrkirche Bruckners Arbeitsort, den er vom 24. Dezemer 1855 bis Ende September 1868 fast täglich mehrmals aufgesucht hat.
Die Brucknerorgel war sein geliebtes Instrument, das er nach seinen Vorstellungen umbauen hat lassen. Sie ist von Franz Xaver Chrismann in barocker italienischer Tradition gebaut worden.
Die Brucknerstiege ist heute ein kleines Museum, das Bruckners Linzer Jahre dokumentiert. Den Grundstein dafür hat vor vielen Jahren August Humer, gebürtig aus Ried im Innkreis, gelegt: der Organist und Professor am damaligen Bruckner-Konserveratorium hat früh erkannt, welcher Schatz hier verborgen ist und sich zeitlebens um die Pflege der Orgel und der Kirchenmusik im Alten Dom gekümmert.
Bernhard Prammer führt diese Tradition als ehemaliger Schüler Humers fort. „Es ist eine Art Erbversprechen“, sagt der begeisterte Organist und Orgellehrer der Landesmusikschule. 2011 wurde die Brucknerstiege eröffnet. Finanziert hat sie der Brucknerbund für Oberösterreich, der seit Jahrzehnten Projekte im Alten Dom fördert. Die Brucknerstiege ist nun für Gruppen zugänglich. Zehn Austria Guides (früher Fremdenführer) bieten Führungen an, auch die Orgel kann extra besucht werden. Wenn gewünscht, ist auch ein „Orgelkkurzkonzert“ buchbar.
Die Brucknerstiege ist als ein Museum am Gang konzipiert. Stufe um Stufe geht man hier bis zur Orgelempore hoch. „Die Fensternischen im Stiegenaufgang sind unser Joker“, erklärt Prammer. Hier lassen sich Inhalte gut lesbar unterbringen.
Auf vier Leuchttafeln wird das Leben Bruckners beschrieben und aufgefächert und damit nachvollziehbar gemacht, wer Bruckner als Mensch, Musiker und Komponist war. Was der Ansfeldner Meister in dieser Zeit komponiert und wie er sich in das allgemeine Musikleben eingebracht hat, wird mit Text und Bild dokumentiert.
Auch seine Weggefährten und Förderer sind hier erwähnt: etwa sein Freund und Bewunderer Rudolf Weinwurm oder das Ehepaar Moritz und Betty von Mayfeld. Sie alle haben sich in den Linzer Jahren um Bruckners Wohl und seinen angeschlagenen Gesundheitszustand gesorgt sowie sein berufliches Fortkommen gefördert. Bruckner hat mit der Einsamkeit gekämpft und sich überarbeitet.
Dass sich Bruckner überhaupt als Domorganist beworben hat, dazu hat es den Anstoß von außen gebraucht, erzählt Prammer. „Als er nach dem Tod des Linzer Dom- und Stadtpfarrorganisten Wenzel Pranghofer am 9. November 1855 durch den Orgelbauer Alfred Just gedrängt wird, am Probespiel zur Neubesetzung des Postens teilzunehmen, entschließt er sich zögernd erst im letzten Moment.
Beide Probespiele – das für die provisorische und das für die definitive Besetzung des Postens – entscheidet er erfolgreich für sich, seine Mitbewerber weit hinter sich lassend“, ist hier auf einer Tafel nachzulesen.
Im Protokoll vom 25. Jänner 1856 über das Probespiel zur definitiven Anstellung Bruckners als Linzer Dom- und Stadtpfarrorganist wird folgendes festgehalten: „Die Kommission, der Vertreter der Kirche, der Stadt und namhafte Personen des Linzer Musiklebens angehörten, entschied sich für Bruckner, der das ihm gegebene Improvisationsthema in eine strengen, kunstgerechten vollständigen Fuge, als auch die ihm aufgelegte schwierigere Choralbegleitung mit so hervorragender Gewandtheit und Vollendung zum herrlichsten Genuße verarbeitet und ausgeführt hat, daß dessen ohnedieß in der praktischen Behandlung der Orgel, wie nicht minder in seinen bekannten sehr gediegenen Kirchenmusik-Compositionen bewährte Meisterschaft sich neuerlich mit aller Auszeichnung fest erprobte.“
In Bischof Franz Joseph Rudigier (1811 – 1884) findet er bald einen Bewunderer und Förderer, weist Prammer bei der Führung hin. Rudigier schätzte, wie viele seiner Zeitgenossen, vor allem Bruckners Kunst der Improvisation.
Der Linzer Bischof hat im Jahr 1854 die „missa solemnis in b-Moll“ (WAB 29) in St. Florian miterlebt, die Bruckner zur Amtseinführung des neuen Propstes geschrieben hat.
Bruckner war Bischof Rudigier seither ein Begriff. Im Linzer Diözesanarchiv sind etliche Belege dafür zu finden: Briefe, Autografe und Widmungen geben Aufschluss darüber, wie Bruckner und Bischof Rudigier miteinander verkehrten. Am Ende der Brucknerstiege öffnet Bernhard Prammer die Tür zur Orgelempore. Hier steht die Brucknerorgel: das Original. Ein Juwel für Aug‘ und Ohr.
Die Brucknerorgel im Alten Dom zählt zu den bedeutendesten Klangdenkmälern Östereichs. Das Instrument, an dem Anton Bruckner während seiner Tätigkeit als Linzer Domorganist wirkte, befindet sich heute noch als einzige der sogenannten Brucknerorgeln im Originalzustand.
Die Orgel wurde ursprünglich für die Stiftskirche Engelszell gebaut. Als Entstehungszeit wird das Jahr 1760 angenommen. Die Orgel war die erste Arbeit nördlich der Alpen des berühmten Krainer Orgelbauers und Priesters Franz Xaver Chrismann. 1856 regte Bruckner eine komplette klangliche Umgestaltung der Orgel an, die vom Orgelbauer Breinbauer aus Ottensheim durchgeführt wurde. Dieser Status ist bis heute erhalten geblieben.
So besitzt der Alte Dom ein Klangmonument ersten Ranges. Berühmt ist neben ihrem einzigartigen Klang auch der Satz „Lebe wohl“ vorne links an der Orgel. Es gilt als höchstwahrscheinlich, dass Bruckner diesen Satz in die Orgel graviert hat, als er Linz verließ. Die Brucknerstiege wird vom Brucknerbund für Oberösterreich gefördert und führt direkt zur Brucknerorgel.
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