„Ein Tornado wütet in der ganzen Region und Syrien ist sein Zentrum.“ So beschreibt der Apostolische Nuntius Kardinal Mario Zenari die Situation. „Ein Tornado, ein schrecklicher Tornado“, wiederholt der Vatikan-Diplomat. Seit Frühjahr 2009 ist er im Land. Im Unterschied zu den Botschaftern der westlichen Staaten hat er Damaskus nie verlassen, auch nicht als eine Reihe von Stadtteilen zum Kampfgebiet wurden und der Krieg auch an das Botschaftsviertel rückte. Sein Mut hat ihm großen Respekt eingebracht – besonders bei den einfachen Menschen.
Aus den Protesten gegen das Regime von Baschar al-Assad im März 2011 ist rasch ein Bürgerkrieg geworden und noch rascher ein Stellvertreterkrieg. „In Syrien stehen sich die fünf größten Armeen der Welt gegenüber. Angefangen von Russland und den USA“, betont Kardinal Zenari. Darum ist der Konflikt keine Frage von Syrien allein und ein Friede so kompliziert. Wenn er sich die Debatten über Syrien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anhört, greift er zum selben Vergleich: „Auch in New York ist ein Tornado. Doch dort muss der Krieg beendet werden.“
Er charakterisiert sich selbst als Optimist, aber wenn er an die unversöhnlichen Fronten im Sicherheitsrat denkt, wird er wortkarg. Von den neuesten statistischen Daten, die die UNO über Syrien zusammengetragen hat, sprudelt er dagegen nur so über: 83 Prozent der Bevölkerung Syriens leben unter der Armutsgrenze, 54 Prozent der Spitäler sind zerstört oder beeinträchtigt und zwei Drittel der Ärzte sind weg. „Wissen Sie, was es bedeutet, wenn man hier krank wird?“
Seit einem Jahr fallen in weiten Teilen Syriens keine Bomben mehr. Die darnieder liegende Wirtschaft des Landes hat für den Vatikan-Diplomaten aber dieselbe Wirkung wie Bomben. Zwölf Millionen Menschen brauchen Hilfe. „Man kann mit der Hilfe nicht bis nach einem Friedensschluss warten. Jetzt muss etwas getan werden.“ Der Kardinal schätzt die Projekte der Kirchen und Hilfsorganisationen, er selbst hat die Initiative „offene Spitäler“ ins Leben gerufen. Er denkt aber weiter: „Die Sanktionen müssen weg. Sie sind zutiefst unfair“. So macht es das Benzinembargo unmöglich, dass sich Menschen Dieselöl zum Heizen leisten können. „Im Vorjahr sind Leute deswegen erfroren. Ich bin privilegiert, aber die einfachen Menschen sind es nicht“. Er fordert Wirtschaftshilfe im großen Stil zum Wiederaufbau.
Dabei lässt er keinen Zweifel daran, dass bei der Unterstützung nicht eine Gruppe bevorzugt werden darf. „Ganz Syrien leidet. Die Christen leiden wie alle anderen Menschen auch. Das Leiden ist universal.“ Gleichzeitig betont er, dass Minderheiten wie die Christen höheren Risiken ausgesetzt sind. Das dürfe man natürlich in Betracht ziehen. Und er macht auf einen vielfach übersehenen Aspekt der Not aufmerksam: „Der Konflikt hat eine weibliche Qualität. Wir müssen an die unzähligen Witwen denken, die allein oft bis zu neun Kinder durchbringen müssen.“
Der Großteil des Landes mit den Städten Damaskus, Homs und Aleppo sind wieder unter der Kontrolle der Regierung al-Assads. Der Krieg in Syrien konzentriert sich nun im Wesentlichen auf eine einzige Provinz, auf Idlib im Nordwesten des Landes. Dort wird aber mit besonderer Brutalität gekämpft. Papst Franziskus ließ durch eine Delegation, unter ihnen auch Nuntius Zenari, einen Brief an al-Assad überbringen. Der Brief hatte humanitären Inhalt, so der Nuntius. Es geht in Idlib um drei Millionen Menschen, davon eine Million Kinder. „Beide Seiten – Regierung und Rebellen – müssen das internationale humanitäre Recht anerkennen“, betont Kardinal Zenari. Von keinem anderen Land der Welt spricht der Heilige Vater so oft wie von Syrien, beinahe alle drei Wochen erwähnt er es, weist der Nuntius darauf hin, wie sehr Papst Franziskus das Schicksal der Menschen in Syrien am Herzen liegt.
Die ICO - Initiative Christlicher Orient, die katholische Presseagentur und der syrische Priester Hanna Ghoneim haben österreichischen Journalisten/innen eine Reise durch Syrien ermöglicht.
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