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Mindestens 7000 junge Menschen hatten sich damals im Stephansdom versammelt. Anlass war eine Andacht. Aber unter den Teilnehmer/innen gärte es: „Auf den Wiener Erzbischof, Kardinal Innitzer, waren die jungen Leute eigentlich bös‘“, berichtet Peter Paul Kaspar aus seiner Familiengeschichte. Der Vater des früheren Linzer Akademikerseelsorgers, Jaromir (Jaro) Kaspar, war bis 1938 Funktionär im „Reichsbund der katholischen deutschen Jugend Österreichs“. Theodor Innitzer hatte in der Hoffnung auf eine Verständigung Hitler seine Aufwartung gemacht und den „Anschluss“ begrüßt. Das neue Regime hatte jedoch die katholischen Jugendorganisationen verboten und enteignet. Der Jugend blieben nur die Kirchen und die Sakristeien. Gehofft wurde auch, dass das Regime nichts gegen die Rosenkranzandacht im Oktober unternehmen werde.
„Dennoch war die Einladung dazu weitgehend nur mündlich und über die Pfarrämter verbreitet worden“, berichtet Kaspar. Die Überraschung war dann groß, als der Dom gefüllt war.
Während der Feier hatte die Jugend Gelegenheit, ihre Bekenntnislieder zu singen. Im Dom saß auch Innitzer. Sein Versuch, zu einer Verständigung mit dem Regime zu kommen, war gescheitert. Hier, im Stephansdom, sah er nun „seine katholische Jugend“, der man so vieles geraubt hatte. So entschloss er sich spontan, etwas zu sagen.
Eine Mitschrift der Ansprache hat die Zeit im Diözesanarchiv Wien überdauert. Innitzer ging offen auf die Situation ein: „Ihr habt in den letzten Monaten viel verloren, Eure Verbände, Eure Jugendgemeinschaften, die Ihr mit einem so schönen Idealismus aufgebaut hattet, sind nicht mehr da.“ Die Jugend habe aber auch etwas gewonnen: die Pfarre. „Stehet treu zu Eurer Pfarre, Eurem Pfarrer und allen seinen Mitarbeitern, den Pfarrseelsorgern, lebt mit ihnen in einer lebendigen Pfarrgemeinde und lasst Euch durch gar nichts beirren.“ Berühmt wurde der Satz: „Wir wollen gerade jetzt in dieser Zeit umso fester und standhafter unseren Glauben bekennen, uns zu Christus bekennen, unserem Führer und Meister, unserem König, und zu seiner Kirche.“ Innitzer räumte ein, dass das Verhalten der Bischöfe beim „Anschluss“ schwer verständlich gewesen sei, verwies aber auf die gute Absicht dahinter. „Die Predigt hat die Anwesenden mit Innitzer versöhnt“, berichtet Peter Paul Kaspar aus Familienerzählungen.
Die Rosenkranzfeier fand am Stephansplatz eine Fortsetzung: Die Menschen riefen „Wir wollen unseren Bischof sehen“ – eine Provokation des Regimes, lauteten doch die Sprechchöre bei Hitler-Auftritten: „Wir wollen unseren Führer sehen.“ Innitzer zeigte sich am Fenster des Erzbischöflichen Palais und schickte die Jugend nach Hause. Es wollte Gewalt seitens des Regimes vermeiden.
Dennoch wurden einige Menschen noch am Ort verhaftet, darunter die Brüder Jaro und Josef Kaspar. „Mein Vater konnte mit Hilfe von Freunden wieder entwischen“, erzählt Peter Paul Kaspar. Sein Onkel Josef aber kam in der Folge ins Konzentrationslager. Dort traf er auf Gleichgesinnte, die nun als „Innitzer-Gardisten“ verspottet wurden. Josef Kaspar wurde 1940 aus dem KZ entlassen, überlebte aber den Krieg nicht.
Einer von Josef Kaspars KZ-Leidenskameraden war Hermann Lein. Er hatte zwei Tage nach dem Rosenkranzfest Gerüchte über einen Sturm auf das Erzbischöfliche Palais gehört. Also fuhr er mit dem Rad dorthin. Tatsächlich: Am 8. Oktober waren Schläger der Hitlerjugend in das Palais eingedrungen, hatten es verwüstet und Menschen verletzt. Als Hermann Lein das einen Tag später sah, konnte er nicht an sich halten. In voller Fahrt am Rad rief er: „Heil unserem Bischof!“ Das brachte auch ihn bis 1940 ins KZ – zuerst nach Dachau, dann Mauthausen. Er sollte nach dem Zweiten Weltkrieg für Peter Paul Kaspar zum Wahlonkel werden.
Mit dem Palaissturm war die Rache des Regimes aber noch nicht abgeklungen: Am 13. Oktober hielt der NS-Funktionär Josef Bürckel eine Hetzrede. Ein Mob zog mit Slogans wie „Innitzer und Jud‘, eine Brut“ und „Pfaffen auf den Galgen“ durch die Straßen. Der NS-Kirchenkampf war nun in Österreich offen ausgebrochen. Begonnen hatte aber auch der Widerstand mancher Katholiken.
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