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Die Landtagsdebatten um das Sozialhilfe-Ausführungsgesetz waren sehr kontroversiell. Gehören die Sozialagenden fast mehr als die Integrationsfragen zu den großen Konfliktthemen der Innenpolitik?
Birgit Gerstorfer: Das sehe ich schon so. Seit Herbst 2017 waren Sozialthemen die großen Streitpunkte auch im Bund: Sozialhilfe, die Diskussion über die Notstandshilfe, die mit Migration begründete restriktive Auslegung der Sozialgesetze – die freilich auch Österreicher/innen betrifft –, die Zusammenlegung der Krankenkassen oder das Pensionsrecht. Da ist viel gegen die Ansichten der Sozialdemokratie passiert.
Streitpunkt in Oberösterreich waren und sind in der Ausführungsgesetzgebung die Sozialhilfe-Richtsätze für Kinder. Wie viele Menschen betrifft das?
Gerstorfer: Das betrifft ungefähr ein Drittel der Sozialhilfebezieher, Ende 2019 waren das rund 4.000 Kinder. Allerdings möchte ich Kinder nicht als Sozialhilfebezieher bezeichnen: Sie bekommen das Geld ja nicht persönlich, sondern für die Familie erhöht sich der Richtsatz der Sozialhilfe. Diese jetzt beschlossenen Beträge sind aus unserer Sicht zu gering.
Auch andere Bundesländer müssen ihre Richtsätze festlegen. Da wird es wohl auch dort Kontroversen geben ...
Gerstorfer: Nach meiner Beobachtung sind die Konfliktpotenziale in anderen Bundesländern nicht so stark ausgeprägt wie in Oberösterreich.
Auch wenn es dafür nicht die notwendige Verfassungsmehrheit im Parlament gibt: Wäre es angemessener, solche Angelegenheiten bundesweit einheitlich zu lösen statt überall zu diskutieren?
Gerstorfer: Am gescheitesten wäre es, die Sozialhilfe beim Arbeitsmarktservice (AMS) zu verwalten. Schon jetzt beziehen zwei Drittel der dort vorgemerkten Arbeitssuchenden zu Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe als Aufstockungsbeitrag Sozialhilfe. Aber derzeit haben wir eben zwei Institutionen, zu denen die Menschen gehen müssen, um Unterstützung zu bekommen: das AMS und die Bezirksverwaltungsbehörden.
Welchen Vorteil brächte es, die Sozialhilfe beim AMS zu verwalten?
Gerstorfer: In der Öffentlichkeit wird Sozialhilfeempfängern unterstellt, sie würden keine Arbeit wollen. Das Finden von Arbeit hängt aber nicht nur vom Wollen ab, sondern auch vom Können und Dürfen. Diese Verknüpfung kann das AMS besser herstellen als die Bezirksverwaltungsbehörden. Zum Können gehört sehr viel: Qualifikation, Gesundheit, geregelte Kinderbetreuung, überwindbarer Arbeitsweg und anderes mehr. In der beschlossenen Version des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes war viel von Deutschkenntnissen die Rede. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Passage gestrichen und ein Fokus auf die vielen anderen Aspekte des Könnens fehlt. Das Dürfen schließlich bedeutet, einen Arbeitgeber zu finden, der einen einstellt. Immer nur vom Wollen zu sprechen, ist populistisch.
Ein drängendes Thema ist die Pflegefinanzierung. Eine Versicherung würde den Faktor Arbeit belasten, eine Staatsfinanzierung das Budget. Gibt es einen Mittelweg?
Gerstorfer: Gegen eine Pflichtversicherung wehren sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmer. Ich bin für eine steuerfinanzierte Lösung. Es geht hier um eine Frage der Priorität in der Steuerpolitik. Laut dem Programm der Bundesregierung soll die Körperschaftssteuer, also die Steuer auf die Gewinne von vielen, aber nicht allen Unternehmen, gesenkt werden. Das sind zwei Milliarden Euro. Ich wäre dafür, dieses Geld lieber für die Pflegefinanzierung zu verwenden. Da haben mehr Menschen etwas davon.
Umstritten ist die präventive Sicherungshaft für mutmaßlich gefährliche Asylwerber – auch in Ihrer Partei: Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger ist dafür. Was sagen Sie?
Gerstorfer: Bürgermeister Luger hat das als seine persönliche Meinung bezeichnet. Wir in der Sozialdemokratie vertreten in weiten Teilen die Meinung, dass mit uns eine Verfassungsänderung bei den Grund- und Freiheitsrechten nicht machbar ist. «
Für die kommenden Wochen sind Interviews mit den Chefs der weiteren im Landtag vertretenen Parteien angefragt.
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