Wort zum Sonntag
Das Bürogebäude der COMECE am Brüsseler Square de Meeûs liegt nur wenige Gehminuten von den großen Glaspalästen der EU-Institutionen entfernt. „COMECE“ steht für die Kommission der EU-Bischofskonferenzen – sozusagen die Vertretung der katholischen Kirche in der Europäischen Union bei der EU.
Sie versteht sich als Brückenbauerin zwischen den Kirchen und den EU-Institutionen, ebenso aber auch zwischen den einzelnen Kirchen. Im COMECE-Büro arbeiten 18 Personen aus verschiedenen europäischen Ländern mit. Einer von ihnen ist der 34-jährige Wiener Historiker Johannes Moravitz, der seit 1. Jänner in Brüssel ist. Als Verantwortlicher für die Themenbereiche Ökologie, Energie und Landwirtschaft arbeitet er kirchliche Positionspapiere zu geplanten EU-Gesetzen aus.
Außerdem sucht er Kontakt zu maßgeblichen Stellen in den EU-Institutionen, um im persönlichen Gespräch kirchliche Anliegen in die politische Debatte einzubringen – oft eine politische Knochenarbeit „hinter dem Vorhang“.
Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka, langjähriger Europareferent Michael Kuhn, Kardinal Christoph Schönborn und Johannes Moravitz bei der Amtsübergabe in Wien.
Dass Politikerinnen und Politiker in allen EU-Ländern immer wieder über die Europäische Union herziehen, hält Moravitz für unfair. Die EU als Sündenbock für heimische Probleme sei zwar eine angenehme und leider auch erfolgversprechende Strategie, letztlich würden sich die Mitgliedsstaaten damit aber auch ins eigene Fleisch schneiden und an Glaubwürdigkeit verlieren. Die europäischen Gesetze, die die einzelnen Staaten in nationales Recht aufnehmen müssen, seien zuerst auf EU-Ebene von allen beschlossen worden.
Außerdem: Die EU dürfe nicht nur nach tagespolitischen Kriterien bewertet werden. Moravitz: „Uns ist immer noch zu wenig bewusst, welch einzigartiges Projekt die EU tatsächlich ist.“ Sie habe den Mitgliedsstaaten Frieden und Wohlstand gebracht. Am wichtigsten sei wohl der Frieden, was gerade angesichts des Ukraine-Krieges deutlich werde.
Die Linie der COMECE in Bezug auf den Krieg in der Ukraine sei eindeutig, erläutert Moravitz. Er verwies auf den ehemaligen COMECE-Präsidenten Kardinal Jean-Claude Hollerich, der erst im März von seinem italienischen Nachfolger Mariano Crociata im Amt abgelöst wurde. Hollerich habe darauf hingewiesen, dass die COMECE den Angriff Russlands als klaren Verstoß gegen das Völkerrecht verurteilt hatte.
Die Ukraine brauche uneingeschränkte Unterstützung, vor allem im humanitären Bereich. Aber auch militärische Hilfe sei laut Hollerich in der derzeitigen Situation legitim. Zugleich habe man natürlich immer das Ziel des Friedens vor Augen. „Wir stehen hier sicher auf einer Linie mit dem Papst“, so Moravitz.
Johannes Moravitz hat in Brüssel eine weitere Aufgabe: Er ist die Kontaktperson der Österreichischen Bischofskonferenz bei der EU. „Als Europareferent beobachte ich die aktuellen Entwicklungen in den EU-Institutionen und berichte regelmäßig an die Bischofskonferenz und den zuständigen Europabischof Ägidius Zsifkovics über Themen und Vorgänge, die auch für die katholische Kirche in Österreich von Belang sein könnten“, erläutert Moravitz. Zudem stehe er in ständigem Kontakt mit Österreichern und Österreicherinnen, die in Brüssel in den verschiedensten Funktionen tätig sind.
„Ich möchte mich zum Wohl der Kirche und der Menschen auf europäischer Ebene einsetzen“, sagt Moravitz. Die Bemühungen der Kirche würden in den Institutionen – sei es im Europäischen Parlament, in der Kommission oder im Rat der Europäischen Union – geschätzt, berichtet Moravitz. Die Voraussetzung sei allerdings: „Die Kirche muss aktiv auf die Verantwortlichen in der EU zugehen.“
Bereits seit 1. März 1997 hat die Österreichische Bischofskonferenz ein Vertretungsbüro in Brüssel.
Nachdem Österreich am 1. Jänner 1995 Teil der EU geworden war, sollte das Büro in Brüssel die Europaarbeit der Bischofskonferenz unterstützen. Seit 2003 ist es in die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) eingegliedert. Seit 2021 trägt die Kontaktperson die Bezeichnung „Europareferent“.
Vom Beginn 1997 an war Michael Kuhn der österreichische Kontaktmann für kirchliche Agenden in Brüssel. Im Mai 2023 wurde er von seinem 34-jährigen Nachfolger, dem Wiener Historiker Johannes Moravitz, abgelöst. „Was kann die Kirche in Europa beitragen und was kann die Kirche von Europa lernen?“ Diese Grundfrage leitete seine Tätigkeit in den letzten 26 Jahren und zwei Monaten, fasst Michael Kuhn zusammen. Die Kirche in Österreich habe eine Vorreiterrolle eingenommen: 1997 habe es einen ersten Besuch der österreichischen Bischöfe in Brüssel gegeben. Schließlich habe das österreichische Episkopat im November 2012 sogar eine Vollversammlung in Brüssel abgehalten – als europaweit erste Bischofskonferenz, erinnert Kuhn.
Es brauche nicht nur ein professionelles kirchliches Auftreten bei den europäischen Institutionen, sondern Kirche sei auch in ihrem Kernauftrag gefragt, meint Michael Kuhn. Das von Kardinal Carlo Martini 2005 im Auftrag der COMECE verfasste „Gebet für Europa“ bringe die geistliche Dimension kirchlichen Wirkens gut zum Ausdruck, die weiterhin bestimmend sein müsse.
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