Wort zum Sonntag
Niruta liebt es, kreativ zu sein. Ihre wunderschönen Zeichnungen – meist runde geometrische Ornamente – entwirft und zeichnet die 20-jährige Nepalesin selbst. Ihre Werke mit den abstrakten Motiven, sogenannte Mandalas, werden auch auf T-Shirts gedruckt.
Doch Niruta zeichnet nicht nur leidenschaftlich gerne, sie singt, tanzt und spielt als Multiinstrumentalistin auch mehrere Instrumente. Mit dem Verkauf ihrer Kunst, ihren Auftritten als Sängerin und dem Unterricht von Musik und Tanz in einem Kinderheim kann sie mittlerweile gut selbständig leben. Allerdings verlief ihr Werdegang nicht immer so erfolgreich und stabil.
Aufgwachsen ist Niruta auf dem Land. Ihr Geburtsort Maikot im Bezirk Rukum liegt im Westen Nepals. Als sie zwei Jahre alt war, spitzten sich die Probleme zwischen ihren Eltern zu – die Mutter alkoholkrank, der Vater verlor durch eine Kriegsverletzung während des Bürgerkriegs ein Bein – und führten schließlich zur Scheidung. So kam Niruta ins Kinderheim „Rainbow Children’s Home“ in der Stadt Pokhara. Dort wurden die vielen Talente der begabten Nepalesin erkannt, geweckt und gefördert. Sie bekam Zeichen-, Gesangs- und Tanzunterricht und lernte Harmonium, Piano und elektronisches Schlagzeug spielen. Zudem ist sie vom Heim bis zur achten Schulklasse unterstützt worden.
Mit 16 Jahren kam es für Niruta erneut zu einem herausfordernden Lebenseinschnitt, da sie aus gesetzlichen Gründen das Kinderheim verlassen musste. Danach wurde es für sie immer schwieriger, weiterhin die Schulbank zu drücken und den Sekundarabschluss zu machen, da sie nun nebenbei arbeiten musste, um die Mietkosten ihres neuen Zimmers zu stemmen und generell über die Runden zu kommen.
Naheliegend war für sie, ihr Gesangs- und Musiktalent zu nutzen. Und so begann sie, nachts als Sängerin, Tänzerin und Musikerin in Pokharas Unterhaltungsbranche Geld zu verdienen. Der Lohn war gering. Die 7.000 nepalesischen Rupien, umgerechnet etwa 50 Euro, pro Monat, reichten kaum zum Überleben. „Zwei Jahre lang habe ich mich nur von einer Mahlzeit pro Tag ernährt“, sagt die Nepalesin. Ihr wurde auch bald bewusst, wie gefährlich diese Branche ist.
In Nepal, das zu den ärmsten Ländern der Welt zählt, sind Arbeitsplätze rar und die Löhne meist niedrig. Fast die Hälfte der rund 30 Millionen Einwohner des südasiatischen Staates leben in Armut. Kinder und Jugendliche, vor allem Mädchen und junge Frauen, sind stark von Ausbeutung und Menschenhandel betroffen. Wegen Geldmangels sind viele Kinder angehalten, die Schule abzubrechen und stattdessen zu arbeiten, um zum Unterhalt in den Familien beizutragen. Da es auf dem Land kaum Jobs gibt, hoffen sie auf Arbeit in Städten wie Pokhara, mit 400.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes nach der Hauptstadt Kathmandu. Sie gilt als Touristenhochburg. Zahlreiche Trekkingtouren starten hier zu den „Achttausendern“ im Himalaya-Gebirge, etwa dem Annapurna und dem Mount Everest.
Aber nicht nur der Sport zieht Touristen und Einheimische nach Pokhara, sondern auch das pulsierende Nachtleben – mit etlichen negativen Auswirkungen. „In Nepal sind 1,2 Millionen Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren gefährdet, Opfer von Menschenhandel zu werden. Häufig geraten sie in die Fänge von Kriminellen, die sie mit falschen Versprechungen in Jobs locken, wo sie wirtschaftlich und oft auch sexuell ausgebeutet werden – in Ziegelfabriken, in Hotels, in Restaurants, in Massagesalons und in Tanzbars. Allein in Pokhara arbeiten 4.400 Kinder unter 18 Jahren in der Unterhaltungsbranche“, erzählt Govinda Bhattarai, Programmdirektor der Hilfsorganisation „Opportunity Village Nepal“ (OVN). Als Projektpartner der Dreikönigsaktion (DKA), dem Hilfswerk der Katholischen Jungschar, hilft OVN Mädchen und jungen Frauen, die gefährdet oder bereits Opfer von Ausbeutung, Kinderarbeit und Menschenhandel sind.
Betroffene Minderjährige in Pokhara werden von Sozialarbeiterinnen der Organisation psychologisch und medizinisch betreut, bekommen Schulungen zu Kinderrechten, erhalten die Möglichkeit der Schul- und Berufsausbildung und Startkapital bei Unternehmensgründungen, um sich z. B. als Schneiderinnen und Kosmetikerinnen eine eigene Existenz aufzubauen. Oder in Nirutas Fall als Künstlerin. Sie hatte Glück, kam in Kontakt mit OVN und nahm die Hilfe und Unterstützung der Sozialarbeiterinnen an. So ist es ihr möglich, die Schule abzuschließen und gleichzeitig beruflich neu durchzustarten. Und das erfolgreich.
Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit der Dreikönigsaktion, dem Hilfswerk der Katholischen Jungschar (DKA).
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