Wort zum Sonntag
Langsam, aber mit kleinen, sicheren Schritten geht H. Roman Foissner gestützt am Rollator den langen Klausurgang entlang. Man kommt aus dem Staunen über den Reichersberger Chorherren nicht heraus, erst recht nicht, als er das Winterrefektorium (Speisesaal) betritt, wo das Gespräch mit der Kirchenzeitung stattfindet. Zufrieden stellt er nämlich fest: „Sehr gut, das Laptop ist schon da.“
Sein Mitbruder Herr Andreas – Chorherren werden als Herr angeredet – hat es ihm an den Platz gestellt. H. Roman hat es sicherheitshalber mitgebracht. Wenn er seine Erzählung mit Bildern veranschaulichen möchte – er hat alles auf seinem Laptop parat: mit seinen 100 Jahren. In der tiefen Tasche des Ordenshabits hat er übrigens sein Handy eingesteckt.
Ein Tablet, das sich an seinem Platz in der Hauskapelle befindet, vervollständigt seine technische Ausrüstung. Das Tablet stellt die Texte des Stundengebets in großen Buchstaben dar.
Die mangelnde Sehkraft macht ihm zu schaffen, hindert ihn aber nicht am Erzählen: In Hohenfurt (Vyšší Brod) wurde er geboren, der Vater war Kammerdiener des Abtes von Stift Hohenfurt. Mit seinem Bruder und den Eltern verbrachte er eine schöne Kinder- und Jugendzeit, wie er betont.
Doch die Besetzung des Sudetenlandes durch das Hitler-Regime machte den unbeschwerten Jahren ein Ende. Das Kloster wurde aufgehoben. Gleichzeitig ließ ihn dieser Einschnitt sein musisches Talent entdecken. Da kein Organist mehr da war, begann er das Instrument zu lernen. Eine Weichenstellung für sein Leben. Zu seinen Anfängen als Organist sagt er schmunzelnd: „Es ging nicht besonders gut, aber ich hatte Freude und die Kirchgänger auch.“
Nicht zum Schmunzeln sind seine Erfahrungen im Krieg. Noch vor der Matura wurde im Mai 1942 die ganze Klasse eingezogen, ab Mai 1944 war er in Russland eingesetzt.
„Da ich es gleich zu Beginn abgelehnt hatte, Offizier zu werden, war ich immer an der vordersten Front.“ Bei einem nächtlichen Sturmangriff wurde er schwer verwundet. H. Roman blieb gezeichnet fürs Leben: sein rechtes Bein musste amputiert werden.
Bei strömendem Regen, er erinnert sich noch genau, musste seine Familie im September 1946 die Heimat verlassen. Die Foissners fanden über Umwege im Stift Reichersberg Aufnahme.
Er und sein Bruder taten, was sie schon in Hohenfurt tun wollten, Priester werden. „Mir war Reichersberg völlig unbekannt“, erzählt H. Roman. Aber das Innviertel wurde ihm und seinem Bruder Konrad zur zweiten Heimat.
1951 empfingen die beiden die Priesterweihe. Der Bruder kam als Kaplan auf eine Pfarre, H. Roman blieb sein Leben lang im Stift. Er wurde der Lohnverrechnung zugeteilt und übernahm zusätzlich die Aufgaben eines Stiftskaplans. 1954 musste er für den erkrankten Chorleiter und Organisten einspringen. Damit fand seine musikalische Laufbahn eine Fortsetzung. Nach einer Ausbildung am Brucknerkonservatorium Linz konnte er zum Fest Mariä Himmelfahrt 1956 zum ersten Mal beim Hochamt eine Mozartmesse aufführen. Am Nachmittag gab er mit den Musikern, die vormittags das Orchester unterstützt hatten, ein Konzert. Die Zuhörer waren begeistert. „Damit begann der Reichersberger Sommer“, erklärt H. Roman – bis heute eine beliebte Veranstaltungsreihe. Was immer er anpackte, machte er gründlich und erfolgreich.
H. Romans Hauptberuf war die Verwaltung. Er wurde 1957 ins Stift Klosterneuburg geschickt zum Erlernen der Kanzleiarbeit, absolvierte in einer Wiener Handelsschule einen Buchhaltungskurs und musste schon ein Jahr später als Rentmeister die Wirtschaft des Stiftes übernehmen – für die kommenden 35 Jahre.
Der Anfang war nicht leicht. „Die Gebietskrankenkasse hatte im Gemeindeamt angefragt, ob das Stift schon in Konkurs wäre“, schreibt er in seinen Erinnerungen. Aber mit Fleiß und Geschick konnte er das Stift in wirtschaftlich geordnete Bahnen führen. „Freie Tage hab ich nie gehabt“, sagt er.
Zu seinem Erfolgsrezept gehört, dass er immer über den Tellerrand hinausgeschaut hat: er war im Fremdenverkehrsverband tätig und hat im Innviertel einen florierenden Weinhandel gegründet. Zwei Landesausstellungen, der Aufbau des Bildungszentrums sind weitere bleibende Eckpunkte seiner Tätigkeit.
1991 gibt er das Amt als Rentmeister ab. H. Roman vergisst in der Rückschau aber nicht die große Unterstützung zu erwähnen, die das Stift besonders vom Land Oberösterreich erhalten hat. „Ohne das Land und dessen Mitarbeiter, von denen viele zu Freunden geworden sind, wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt er dankbar.
Dankbarkeit gehört zu seinem Wesen. Er ist seinen Mitbrüdern dankbar, die ihm ein Leben in Gemeinschaft ermöglichen, besonders seinem Betreuer H. Andreas. Auch wenn er mit den jungen Buben oft schimpfen muss, wie er lachend erzählt, man spürt seine Dankbarkeit.
Fragt man ihn nach seinem Tagesablauf, verweist er auf das Lesen – mit Hilfe eines Lesegerätes. Nachmittags geht er gerne ins Bräustüberl auf ein Seidel Bier. Sollte er seinem Leben eine Überschrift geben, antwortet er ohne Umschweife: „Werkzeug der göttlichen Vorsehung. Das ganze Leben ist ein Leben in der göttlichen Vorsehung“.
Zum 940-jährigen Bestehen des Stiftes Reichersberg und zum 100. Geburtstag von H. Roman Foissner findet am 3. November um 15 Uhr in der Stiftskirche ein Jubiläumsgottesdienst mit Erzbischof Franz Lackner statt. Am 16. und 17. November sind rund 100 Aussteller am Kunsthandwerksmarkt im Stift Reichersberg.
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