Wort zum Sonntag
Die Kirchenmusik von Linz ist in der Zwischenkriegszeit untrennbar mit seinem Namen verbunden: dem Florianer Chorherrn Franz Xaver Müller.
Er war von 1924 bis 1943 Domkapellmeister im Mariendom und hat sich durch seinen Fleiß, mit seinem Können als Komponist und seinem Geschick als Dirigent und Chorleiter weit über die Diözese hinaus nicht nur Bewunderung, sondern leidenschaftliche Fans erworben.
Der Landeshauptmann von Oberösterreich und der Bürgermeister von Linz setzen sich 1936 für die Gründung einer „Franz Xaver Müller-Gemeinde“ ein, die sich um die Sicherung und Verbreitung seines Werks annehmen sollte. Denn Müller selbst nahm sich in seiner Bescheidenheit dafür keine Zeit. Die „Gemeinde“ bestand bis in die 1980er Jahre.
Im Frühjahr 2022 kamen aus dem Umfeld seiner Verwandtschaft mehr als 450 Briefe und Postkarten, etwa 100 größtenteils unbekannte Fotos und weitere historische Dokumente Franz Xaver Müllers an die Öffentlichkeit. Christoph Lettner, Heimatforscher und Fachmann für Antiquitäten aus Grein, hat die immense Hinterlassenschaft bearbeitet. Das neue Material trägt besonders dazu bei, die Persönlichkeit Müllers besser kennenzulernen.
„Müller ist bescheiden und gibt sein letztes Hemd für die Seinen, seine Geschwister und deren Kinder. Er ist politisch konservativ und aus Berufung Priester und Ordensmann“, betont Lettner und erzählt, wie aus dem „Fleischhackerfranzl“ aus der abgelegenen Mühlviertler Marktgemeinde Dimbach – die Ortschaft zählte im Geburtsjahr Müllers 1870 20 Häuser – der enthusiastisch gefeierte Musiker wurde.
Der Volksschullehrer hat Müllers musikalisches Talent entdeckt und ihm dem Weg zu den Sängerknaben in St. Florian geebnet. Als Zehnjähriger ging er nach St. Florian, wo er Anton Bruckner aus nächster Nähe erleben konnte. Bruckner kam in dieser Zeit häufig von Wien in das Stift.
Müller war von dem berühmten Musiker fasziniert. Das zeigte sich später in seinen eigenen Kompositionen, besonders aber war er von der Aura des Meisters beeindruckt – sein ganzes Leben lang.
Müller beschreibt die Begegnungen mit Bruckner fast sechzig Jahre später bei einem Bruckner–Festakt 1946 überaus lebendig: „Wenn er an die Orgelbank trat, zeigte er sichtlich große Sammlung. [...] Bevor er die Finger auf die Tasten legte, zitterte die Hand, aber nicht aus Schwäche, sondern aus seelischer Erregung. Hatte er die Tasten einmal berührt, dann war das Zittern verflogen und er erschien mit einem Male als der überragende Meister einer Improvisation, die weniger durch große Technik denn durch die Tiefe und Originalität seiner Gedanken und deren Verarbeitung unvergesslichen Eindruck machte.“
Nach drei Jahren (1883) muss Müller die Sängerknaben verlassen, kommt in das Knabenseminar auf den Freinberg und legt 1890 am Staatsgymnasium Spittelwiese die Matura ab. Nicht aus Berechnung, dass ihm eine musikalische Ausbildung ermöglicht wird, sondern aus persönlicher Überzeugung tritt er in das Chorherrenstift St. Florian ein. „Sein erster Charakterzug ist die Frömmigkeit“, beschreibt ihn ein früher Biograf. Dieser Beurteilung stimmen alle zu, die ihn kannten. Neben der Zelebration der heiligen Messe und dem Breviergebet hat er in späteren Jahren täglich auch drei Rosenkränze gebetet, oft auch den Kreuzweg.
Seine Frömmigkeit zeigt sich ebenso in den jetzt aufgefundenen Briefen und Postkarten. Dabei hat die Marienverehrung für den jungen Chorherren einen hohen Stellenwert.
Weder das Gymnasium noch das Theologiestudium haben den begabten Dimbacher so gefordert, dass nicht Zeit für das Theaterspiel und für erste Kompositionen geblieben wäre. Der junge Chorherr gilt als Komödiant und schreibt für das Theologentheater in St. Florian Lustspiele, Parodien und Gstanzln.
Nach der Priesterweihe 1895 kann er Ausbildungen bei Musikern in Gmunden und Wien absolvieren und ist auch als Kaplan eingesetzt.
Im Zuge der Konsekration des sich im Bau befindlichen Mariendoms wird am 1. Mai 1905 ein großes Fest gefeiert. Müller hat für diesen Anlass die Musik zum Festspiel „Immaculata“ komponiert und die Aufführung im Linzer Landestheater selbst dirigiert. Der Erfolg ist überwältigend.
Im neuen Nachlass findet sich ein Dankbrief von Bischof Franz Maria Doppelbauer: „Es gereicht mir daher zur besonderen Freude, Euer Hochwürden (...) speziell für Ihre opfervollen und opferfreudigen Bemühungen zur Verherrlichung des Muttergottesfestes meinen wärmsten bischöflichen Dank auszudrücken. Mit dem herzlichen Wunsche, dass der mächtige Schutz der allezeit makellosen Jungfrau Sie stets begleiten möge, bin ich Euer Hochwürden in Liebe ergebener Bischof Franz Maria.“
Müller ist zu dieser Zeit bereits Stiftsorganist, wird dann Regens Chori des Stifts, leitet die Sängerknaben, komponiert und musiziert.
Das Jahr 1924 bildet einen Höhepunkt seines Schaffens. In der Linzer Südbahnhofhalle wird anlässlich eines Sängerbundfests sein Oratorium „Augustinus“ aufgeführt. Vor 3000 Besucher:innen leitet er einen Chor mit 600 erwachsenen Sänger:innen, zusätzlich 200 Kindern und Orchester.
Die Aufführung wird ein Rieserfolg und muss wiederholt werden. Davor schreibt er an seine Verwandten: „... also nun betet, betet wie ihr es täglich tut. Ich bin voll freudiger Zuversicht.“ Das siebenstündige Oratorium, an dem er mehr als 570 Arbeitstage komponiert hat, bezeichnet er als sein Hauptwerk.
Im selben Jahr 1924 wird er auch Domkapellmeister. Dieser Aufgabe widmet er sich mit ganzem Einsatz. „Der Eifer der Chormitglieder und ihre Begeisterung für den genialen Dirigenten ist gleich groß. In den [ersten] viereinhalb Jahren seines Wirkens am Domchor hat Müller 40 Messe-Erstaufführungen geleitet. [...] Gott und die heilige Cäcilia segne Meister Franz Müller“, schreibt ein glühender Verehrer Müllers in einem Zeitungsbeitrag über den Domchor.
Die knapp zwei Jahrzehnte seiner Tätigkeit im Dom und in der Stadt Linz sind voll von musikalischen Glanzpunkten. Voll Freude schreibt er an seine Schwester, dass bei der Eröffnung des Radiosenders in Linz seine D-Dur-Sinfonie live übertragen wurde, die er dirigierte.
Zum Ständestaat hat Müller keine Distanz, er wird in diesen Jahren sehr gefördert. Dem Nationalsozialismus gegenüber ist das anders. 1942 schickt er seiner Nichte Anna sogar die Vertonung eines Antikriegsgedichts, das er 1917 anlässlich des Todes eines Bruders als Soldat verfasst hat. Aufgrund des Verlusts der Sehkraft legt Müller 1943 das Amt als Domkapellmeister 1943 zurück, 1948 stirbt er.
Weil er Zeit seines Lebens so viel für das Andenken Bruckners getan hat, schlagen Müllers Freunde vor, ihn neben Bruckner beizusetzen. Doch die Florianer Chorherren lehnen ab. Beim Gedenkgottesdienst im Dom dirigiert der neue Domkapellmeister Josef Kronsteiner das von Müller selbst komponierte Requiem, das er überschrieben hat: „Requiem für mein Begräbnis, mehr Gebet als Kunst.“
Dimbachs Bürgermeister Manfred Fenster und Konsulent Karl Hahn sind vom Fund des persönlichen Nachlasses von Franz. X. Müller natürlich begeistert. Er wird die Gedenkausstellung im F. X. Müller-Haus Dimbach wesentlich bereichern.
Der Nachlass wird in einer szenischen Lesung mit Musik und Bildern am 4. Februar 2022 um 19 Uhr in der Pfarrkirche Dimbach und im F. X. Müller Haus präsentiert.
Karten bei K. Hahn, k.hahn@eduhi.at oder Tel. 0680 204 88 78.
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