Wort zum Sonntag
„Die digitale Jägerstätter-Edition ist ein Meilenstein in der Jägerstätter-Rezeption“, sagte Erna Putz, Doyenne der Jägerstätter Forschung. Die Freude war ihr anzusehen, als Andreas Schmoller, der Leiter des Franz und Franziska Jägerstätter Instituts und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Verena Lorber die Website mit den Schriften und Briefen von und an Jägerstätter freigeschaltet haben.
Die beiden Wissenschafter:innen Andreas Schmoller und Verena Lorber präsentierten am 1. Juni 2023 im Rahmen eines Festaktes an der Katholischen Universität (KU) Linz ihre Arbeit von mehr als vier Jahren.
„Ziel der der Edition ist es die historischen Quellen zu Jägerstätter einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und neue Perspektiven für Wissenschaft und pädagogische Vermittlung zu ermöglichen“, umriss Schmoller das Ziel des Projekts.
Dazu wurden alle Schriften des Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter (1907 – 1943) digitalisiert: seine Hefte, die losen Blätter, die Karten und Briefe des Ehepaars Jägerstätter. Diesen Bestand hatte Erna Putz bereits in Buchform veröffentlicht, zuletzt zur Seligsprechung Jägerstätters im Jahr 2007.
Das erste Mal zugänglich ist in der Digital-Edition nun aber die weitere Korrespondenz. Sie umfasst Briefe von Nachbarn, Freunden und Bekannten an Franz und seine Frau Franziska. Aufgenommen wurden auch Briefe an Franziska Jägerstätter, die sie in den ersten Jahren nach dem Tod ihres Mannes erhalten hat. Mehr als die Hälfte der „Jägerstätter-Briefe“ sind damit erstmals zugänglich.
Sämtliche Jägerstätter Dokumente findet man auf der Website als Faksimile, daneben in einer zeilen- und zeichengenauen Umschrift sowie in einer dem gegenwärtigen Sprachgebrauch angepassten Lesefassung.
Exakt 1639 Anmerkungen führen zu Kommentaren: über Orte, Namen und Bibelstellen. Insgesamt sind 370 Schriftliche Quellen aus dem Zeitraum von 1927 bis 1949 zugänglich, davon 183 Briefe. Die veröffentlichten Quellen würden in Buchseiten umgelegt rund 1000 Seiten umfassen.
Weiters haben Schmoller und Lorber sieben ausführliche Biografien erarbeitet. Neben Franz und Franziska Jägerstätter findet sich unter anderem die bislang noch kaum erforschte Lebensgeschichte von Josef Karobath, der als Pfarrer von St. Radegund in enger Beziehung zur Familie Jägerstätter stand – über den Tod von Franz Jägerstätter am 9. August 1943 hinaus. Auf der Startseite der Edition führen vier Bilder mit knappen Zitaten in Leben und Botschaft von Franz und Franziska Jägerstätter ein.
„Mit dieser Auswahl der Leitthemen auf der Startseite zeigen Andreas Schmoller und Verena Lorber, wie gut sie Franz und Franziska Jägerstätter verstanden haben“, betont Jägerstätter-Biografin Erna Putz in den Grußworten beim Festakt.
Die digitale Edition hält sie für einen Quantensprung und eine Pionierleistung in der Erschließung von Jägerstätter: „Möge die Website viele Menschen inspirieren und zum Einsatz für Friede und Gerechtigkeit ermutigen.“
Ausgehend von der Digitalisierung schlägt Putz eine Brücke zum Ars Electronica Festival. Sie schlägt vor, einen Franz und Franziska Jägerstätter Preis auszuloben, der junge Menschen zur Beschäftigung mit Jägerstätter anregt.
Mit einem Augenzwinkern wies Putz auf die Möglichkeit der Volltextsuche in der digitalen Edition hin. Da würden bei ihr nun die Anrufe weniger werden, deren Anlass die Frage ist: Wo genau steht den in den Jägerstätter Schriften dies oder das?
Für Landeshauptmann Thomas Stelzer gehören Franz und Franziska Jägerstätter „zu unserem Land und zum Landesbewusstsein. Jägerstätter war nicht universitär geprägt, aber er hatte ein unglaubliches Urteilsvermögen sowie Mut und Kraft seine Entscheidung umzusetzen.“ Darin könne Jägerstätter ein Vorbild sein: „Jägerstätter hat das Böse erkannt und hat mit seinem Leben ein Zeichen gegen Willkür und Gewaltherrschaft gesetzt. Wir brauchen heute solche Menschen mehr denn je.“
Für Bischof Manfred Scheuer ist die digitale Edition wichtig für die wissenschaftliche Arbeit, interessant für die Forschung, ein Rückgrat für die ethische Diskussion und eine Hilfe für die Verehrung: „Jede Generation eignet sich Franz und Franziska Jägerstätter neu an. Sie soll dafür mit Hilfe der digitalen Edition auf Entdeckungsreise gehen dürfen.“
Die Zugänge zum Ehepaar Jägerstätter würden sich verändern. Wichtig sei, dass die Beschäftigung damit aber nicht zu glatt verläuft, sondern zu Umkehr und Neuanfang führt, betonte der Bischof, selbst ein ausgewiesener Jägerstätter-Experte: „Jägerstätter steht für Freiheit. Seine Schriften geben zu denken und zu beten und zu hoffen.“
Abt Reinhold Dessl OCist vom Stift Wilhering unterstrich als Vertreter der Österreichischen Ordensgemeinschaften, dass es gut ist, dass die christliche Botschaft von Franz Jägerstätter einen Platz in der digitalen Welt bekommt. Franz und Franziska Jägerstätter seien auch ein Vorbild für den Anschluss von verheirateten Christen an eine Ordensgemeinschaft. Das Ehepaar gehörte dem damals sogenannten „3. Orden des heiligen Franz von Assisi“ an. Diese Form der Verbindung mit einem Orden sei heute für viele Menschen anziehend, sagte der Abt.
Der Rektor des KU Linz Christoph Niemand stellte das Franz und Franziska Jägerstätter Institut vor. Es ist der KU angeschlossen und vom Land Oö, der Diözese Linz und von den Österreichischen Ordensgemeinschaften finanziert.
Im Rahmen des Festaktes wurde besonders Univ.-Prof. Ewald Volgger bedankt. Der Linzer Liturgiewissenschafter hat die Gründung des Instituts angeregt und umgesetzt.
Ein aufrichtiger Dank galt auch der Familie Jägerstätter - Maria Dammer und ihren beiden Schwestern, die die Dokumente, unter ihnen auch sehr persönliche Schriften – dem Jägerstätter-Institut übergeben haben. Andreas Schmoller und Verena Lorber sind auch dem Diözesanarchiv Linz und dem Forschungsinstitut Brenner Archiv der Universität Innsbruck dankbar, das das Projekt beraten und technisch ausgeführt hat.
Musikalisch gestaltet wurde die Feier von Albin Zaininger und Lisa Felbermayer mit Kompositionen Zainingers zu Briefen Franz Jägerstätter unter dem Titel "Gegen den Strom".
Die digitale Jägerstätter-Edition findet frei zugänglich sich unter: edition.jaegerstaetter.at
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