Wort zum Sonntag
So brannte Donnerstag nach vier Uhr früh der jüdische Tempel in Linz bis auf die Mauern nieder“, berichtete die Linzer „Tages-Post“ im November 1938. Die Synagoge in der Linzer Bethlehemstraße fiel der Zerstörungswut zum Opfer, die das nationalsozialistische Regime gegen die jüdische Bevölkerung und ihr Eigentum organisiert hatte. Nach dem Krieg wurde das Grundstück mit den Tempelruinen und dem ehemaligen Gemeindehaus von jüdischen Männern in Besitz genommen, die aus dem Konzentrationslager Mauthausen befreit worden waren. Unter ihnen war auch Simon Wiesenthal, einige Jahre geschäftsführender Präsident der jüdischen Gemeinde. In Linz begann er mit dem Ausforschen nationalsozialistischer Verbrecher/innen, wofür er schließlich von der Republik Österreich ausgezeichnet wurde. Die Gottesdienste wurden in Räumen des Gemeindehauses abgehalten. Über das Grundstück selbst konnte die Gemeinde nicht verfügen. Die amerikanischen Besatzungssoldaten verwendeten es als Abstellplatz. 1955 zogen sie ab. Damit begannen konkrete Überlegungen, einen Neubau auf den Grundmauern der zerstörten Synagoge zu errichten. Die Vorbereitungen wurden von Stadt Linz und Land OÖ unterstützt, schrieb Wilhelm Schwager, der damalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Nach einem Jahr Bauzeit wurde die neue Synagoge am 2. April 1968 geweiht.
„Die Synagoge erschien mir damals so modern und utopisch und sie ist es bis heute“, sagt IKG-Präsidentin Charlotte Herman. Sie war neun Jahre alt bei der Eröffnung. „Ein großes Ereignis“, wie sie sich erinnert. Nicht zuletzt, weil Frauen und Männer nun gemeinsam in
einem Raum den Gottesdienst feierten. Der Bau spiegelte die damalige Situation der jüdischen Gemeinde wider. Vor der Verfolgung hatte sie 800 Mitglieder, bei der Eröffnung der neuen Synagoge zählte sie 60. „Die Kleinheit der Gemeinde und die bescheidenen finanziellen Mittel bestimmten die Größe des Bauvolumens“, schrieb Architekt Fritz Goffitzer. Trotzdem gelang ihm ein Entwurf, der von Architekt/innen bis heute bewundert wird, sagt Charlotte Herman: „Die Synagoge ist eine der bedeutendsten Sakralbauten Europas.“
Fritz Goffitzer stellte den Bau auf ein Plateau, um ihn optisch größer erscheinen zu lassen. Die fensterlose Fassade mit abgerundeten Außenkanten umhüllt den Gebetsraum. Sechs Betonsäulen tragen das geschwungene Dach. Um den Betraum „als Hülle des Geistigen“ zu betonen, stehen seine Außenmauern weder mit den Säulen noch mit dem Dach in Verbindung. Der Entwurf der Synagoge ist übrigens Teil der Nachlasses von Fritz Goffitzer, der sich im Besitz der Katholisch Privatuniversität befindet.
Kunst. Im Betraum ist der Schrein mit der Thora, der hebräischen Bibel (siehe auch Randspalte), in die Ostwand eingemauert. Darüber hängt das „Ewige Licht“. Es wurde ebenso wie die beiden siebenarmigen, über zwei Meter hohen Leuchter vom Künstler Arno Lehmann gestaltet, der Innenraum von Fritz Fröhlich. Die Wandmalereien stellen die zwölf Stämme Israels in Gestalt von Jakobs Söhnen dar: Ruben, Simeon und Levi, Juda, Sebulon und Issachar, Dan, Gad und Asser, Naphtali, Joseph und Benjamin.
Am 26. April feiert die Israelitische Kultusgemeinde das 50-Jahr-Jubiläum der wiedererrichteten Synagoge. Der damalige Landeshauptmann Heinrich Gleißner hatte den Bau mit dem Wunsch gefördert, einen Beitrag zur materiellen und geistigen Wiedergutmachung zu leisten. Auch heute nehmen die Vertreter/innen von Stadt und Land die Kultusgemeinde wohlwollend wahr, sagt Charlotte Herman. Die Synagoge ist für sie „ein Zeichen dafür, dass es in Linz jüdisches Leben gibt“, sagt sie. Die Gemeinde ist mit 50 Mitgliedern sehr klein. Charlotte Herman hofft, dass sie wachsen wird. Auch wenn diese Hoffnung angesichts der Realität gering ist – andere Städte hätten meist größere Anziehungskraft als Linz. „Das Gotteshaus soll das Fortbestehen der kleinen Gemeinde sichern“, schrieb schon Wilhelm Schwager noch vor der Fertigstellung: „Es soll ein würdiges Zeugnis für den Geist der Toleranz sein, der in Oberösterreich wieder Einkehr gehalten hat.“
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