Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Als nützlich und gut bezeichnet das Konzil von Trient (1545 bis 1563) die Verehrung von Reliquien, heilsnotwendig sei es nicht, dass man „Überbleibsel“ von Heiligen wie Knochenstücke oder Gegenstände, mit denen sie in Kontakt waren, verehre. So ist es kirchliche Lehre bis heute. Es bleibt im Ermessen der einzelnen Christ/innen, ob zu ihrem geistlichen Leben die Verehrung von Reliquien gehört oder nicht. Aber im Laufe der Geschichte hatte das, was von Heiligen nicht verwest war, einen festen Platz im religiösen Leben bekommen. Allein über 300 Kreuzpartikelreliquiare sind im Inventar des diözesanen Kunstguts verzeichnet. Da Reliquien häufig nur kleine Stücke sind, seien für ihre Präsentation kunstvolle Schaugefäße geschaffen worden, erklärt Judith Wimmer vom Kunstreferat der Diözese Linz: Diese hatten die Form von Monstranzen (siehe links unten), auch von Tafeln oder Pyramiden (siehe rechts oben mit Pfarrer Franz Strasser). Eine Sonderform stellen die seltenen „sprechenden Reliquiare“ dar (siehe unten), deren äußere Form unverkennbar auf den Inhalt hinweist. Wimmer plädiert nicht nur aus kunst- und kulturhistorischen Gründen für einen zeitgemäßen theologischen Umgang mit Reliquien und betont: Zum Volk Gottes gehörte nicht nur die aktuell lebenden Mitglieder, sondern auch die Vorfahren im Glauben.
Weitere Einblicke in die theologischen Aspekte der Reliquienverehrung gab beim Symposion auch Ines Weber. Die Professorin für Kirchengeschichte an der KU Linz wies auf die besondere Stellung der Heiligen als „Fürsprecher/innen“ und „Vorbilder“ hin. Obwohl oft auch in bewusster Opposition zu den Kirchen der Reformation die Fürsprache-Funktion der Heiligen überbetont wurde, haben sie ihre Bedeutung als Vorbilder nie verloren. Dieser Vorbildfunktion kann man selbst in der „Reliquien-kritischen Zeit“ der Aufklärung zustimmen. Weber zitierte dazu aus der Linzer Monatsschrift des Jahres 1811, in der es heißt: Reliquien erinnerten uns mehr an Heilige als es Worte, Bilder und andere Zeichen tun könnten. Sie machen uns dankbar für die Wohltaten Gottes und regen zu deren Nachahmung an. Das Ziel des Umgangs mit Reliquien ist aber für den Autor der Linzer Monatsschrift völlig klar: Wir müssten Gott in den Seligen verehren.
Der Archivar und Bibliothekar des Stiftes Schlägl, H. Petrus Bayer, zeigte auf, dass Reliquien, die im Mittelalter in seinem Kloster verehrt worden waren, um 1740 plötzlich der Verehrung der Gläubigen entzogen und in die Kugel des Kirchturms verfrachtet wurden. Dazu gehörten Reliquien wie die Erde vom Blutacker oder Holz von der Geißelsäule. Man legte in der Barockzeit Wert auf authentische Reliquien, und diesen Anspruch konnten die mittelalterlichen nicht erfüllen. Stattdessen erlebte in der Region um Schlägl und darüber hinaus die Verehrung des heiligen Johannes Nepomuk – mit den entsprechenden Reliquien – einen Boom.
Von einem Boom kann man nicht sprechen, aber Reliquien von Märtyrern der NS-Zeit würden heute von den Gläubigen besonders geschätzt – mehr als Knochensplitter eines unbekannten Christen aus den Katakomben Roms, wie Pfarrer Christian Öhler aus Bad Ischl beim Symposion berichtet. Wie es Tradition seit den ersten Jahrhunderten des Christentums ist, wurden auch in Bad Ischl am Fuß des neuen Altars Märtyrerknochen beigesetzt. Die Pfarrangehörigen waren beeindruckt, dass auch ein Knochensplitter von Franz Jägerstätter dabei war. Ebenso berührt waren die Gläubigen von Eidenberg. Dort hat der Wilheringer Abt Reinhold Dessl die Professurkunde seines Vorgängers Abt Bernhard Burgstaller zusätzlich zu Knochenteilen eines traditionellen Heiligen in das „Reliquiengrab“ gegeben. Abt Bernhard aus Eidenberg war ebenfalls Opfer der NS-Diktatur.
Zur Sache
Das Einsetzen der Reliquien in die dafür vorgesehene Öffnung unmittelbar vor dem Altar ist eine eindrucksvolle symbolische Handlung bei der Feier einer Altarweihe. Einmal eingemauert, sind die Reliquien dann aber nicht mehr sichtbar. Mit dem Verschwinden im Fußboden sind sie nicht nur aus den Augen, sondern auch aus dem Sinn – was schade ist, vor allem, wenn es sich um Reliquien zeitgenössischer Seliger handelt, die für Gläubige heute ein besonderes Vorbild sein können. In der Pfarrkirche Waidhofen an der Ybbs finden sich daher auf einem Seitenaltar Kurzbiografien und Bilder jener Seligen (Franz Jägerstätter, Jakob Kern, Hildegard Burjan und Sr. Maria Teresia Ledóchowska), deren Reliquien beim Altar beigesetzt sind. So bleiben sie sichtbar und in Erinnerung.
Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
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