Wort zum Sonntag
Welche Ziele verfolgt Mission?
Otto Neubauer: Sie soll eine Antwort geben auf die Sehnsucht der Menschen, eine Heimat zu haben, wo man bedingungslos geliebt wird. Sie entspricht dem Gebot, Gott und den Nächsten zu lieben. Man zeigt Menschen, dass sie geliebt und angenommen sind. Das sieht ganz unterschiedlich aus: Jeder hat seine eigene Mission.
Es geht also nicht um Bekehrung zum Christentum?
Neubauer: Man kann die Absicht haben zu lieben – aber die Liebe selbst ist absichtslos. Wenn ich meine Frau liebe, dann um ihrer selbst willen und nicht um zurückgeliebt zu werden. So kann Mission auch nicht daran gebunden sein, zwingend zu einem Bekenntnis führen zu müssen. Es ist ein Geschenk, wenn jemand dieses Glück mit uns teilen will. Denken wir an die Gerichtsrede Jesu: die Hungernden speisen, die Nackten kleiden, die Gefangenen besuchen ... Ziel ist, den Armen Liebe zu bringen. Es wäre ein sehr weltliches Verständnis von Mission, wenn ich sie betreibe, weil ich Menschen brauche. Das wäre Besitzergreifung, keine Liebe.
Sie schreiben in Ihrem Buch, Mission sei die Aufgabe jedes Christen. Aber kann das jeder?
Neubauer: Zu lange war die Kirche eine Expertenkirche. Bei Pfarrbegleitungen höre ich oft: „Dazu kann ich nichts sagen, fragen Sie den Pfarrer oder die Pastoralassistentin.“ Es ist an der Zeit, dass wir uns gegenseitig helfen, über den Glauben sprachfähig zu werden. Jeder kann, wie Frère Roger einmal gesagt hat, das wenige, das man erkannt hat, weitergeben. Dazu gehört das Zutrauen, dass jeder eine Gabe erhalten hat. Der Pfarrer oder die Pastoralassistentin unterstützen dann im Sinne eines Dienstes am gemeinsamen Priestertum die Menschen in der Pfarre dabei. Denn „jeder kann Mission“.
Solche Gaben werden als Charismen bezeichnet. Nach Paulus sind das Gnadengaben des Gottesgeistes. Der Soziologe Max Weber hat damit eine Herrschaftsform verbunden, die auch missbraucht werden kann. Woher weiß jemand, dass der charismatische Mensch, der ihn anspricht, Gutes mit ihm vorhat?
Neubauer: Die Bibel ist da eindeutig: Es geht um eine Gabe, die die Gemeinschaft aufbaut, aufrichtet und frei macht. Man spürt, wenn da nur ein Guru ist, der um seiner selbst willen Leute um sich sammelt.
In so mancher Pfarre schwinden die ehrenamtlich Engagierten. Ist die Forderung nach Mission da nicht eine Überforderung?
Neubauer: Es ist nicht leicht, kleiner zu werden. Mitgefühl und Wertschätzung für die treu Gebliebenen sind wichtig. Doch wenn sich Pfarren auf ihre Kerne zurückziehen, wächst die Angst, sich zu öffnen. Öffnet man die Türen und begibt sich selbst in neue Räume, um christliche Gastfreundschaft zu leben, dann ist das aber beglückend. Wenn jemand einen Hauskreis initiiert und merkt, dass die Nachbarn am Glauben interessiert sind, dann verändert das die Grundstimmung.
Ihr Buch und Ihrer Arbeit in der Akademie will also motivieren und Möglichkeiten aufzeigen?
Neubauer: Ja. Ich würde Mission mit zwei Worten umschreiben: Dialog und Gastfreundschaft. Wenn wir geliebte Kinder Gottes sind, können wir diesen Reichtum der Liebe Gottes teilen. Die Botschaft Jesu lautet ja: Jeder gehört dazu, jeder ist geliebtes Kind Gottes.
Gastfreundschaft ist in Ihrem Buch teils wörtlich gemeint ...
Neubauer: Jesus hat oft mit Menschen gegessen. Wir haben zu Hause alle 14 Tage ein Abendessen mit anschließender Diskussion einer Bibelstelle. Der Austausch über den Alltag und das Leben beim Essen „erdet“ die Betrachtung der Schriftstelle. Jemand muss außerdem erst dazugehören, bevor er vertrauen und glauben kann. Jesus hat den Zöllner Zachäus ja auch nicht gleich befragt, wie es um seinen Glauben steht.
Mission erreicht doch zunächst den Einzelnen. Wo bleibt die gesellschaftspolitische Bedeutung der Kirche?
Neubauer: Die geistliche Dimension ist für die Herzensbildung wesentlich. Aber dabei dürfen wir nicht stehenbleiben. Der Glaube muss Konsequenzen haben. Wir führen ein Projekt durch, in welchem wir eine neue politische Kultur des Dialogs einüben wollen. Wir leben in einer Zeit der gegenseitigen Ausschließungen. Gerade deshalb muss Kirche heute eine Brückenbauerin sein, die über alle parteipolitischen Grenzen hinweg das Gemeinwohl betont. «
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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