Wort zum Sonntag
Das Fürbittgebet in der Liturgie hat als gemeinschaftliches Ritual ganz eigenen Charakter.
Jeder Mensch kann und darf offen zu Gott sprechen. Da gibt es keine Tabus, denn Gott „kennt das im Herzen Verborgene“ (Psalm 44,22), er „kennt unsere Herzen“ (Lukas 16,15). Fürbitte bedeutet dann: ehrlich sein vor Gott – denn so vieles bewegt uns, so vieles erhoffen wir von ihm.
Es gibt aber noch eine andere Form von Fürbitte, nämlich in der gemeinsam gefeierten Liturgie, besonders der Messe (Eucharistiefeier) und der Wort-Gottes-Feier. Wie alles in der Liturgie schließen auch diese Fürbitten an jahrhundertealte Traditionen an. Sie sind eine „Kunstform“ des gemeinschaftlichen Feierns. Sie sind kein Ausdruck individueller Wünsche, Emotionen und spontaner Anliegen, sondern sie sind öffentliches Zeugnis der Kirche vor Gott, vor der Welt und vor sich selbst. Sie sind Erfahrung und Ausdruck der kirchlichen Gemeinschaft im Gebet.
Wäre es dann nicht sinnvoll, für diese beiden Arten von Fürbitten zwei verschiedene Begriffe zu verwenden? In der Tat – nur leider sind die offiziellen Namen für die zweite Form, also das „liturgische Fürbittgebet“, kaum bekannt: Das Zweite Vatikanische Konzil nennt sie oratio fidelium (Gebet der Gläubigen) und oratio communis (Gemeinschaftliches Gebet), die lateinische Kirchensprache kennt auch den Begriff oratio universalis. Das wird meist als „Allgemeines Gebet“ übersetzt, aber das klingt im Deutschen doch etwas unverbindlich und unbedeutend. Besser wäre es vielleicht, vom „alles umfassenden Gebet“ oder vom „universalen Gebet“ zu sprechen. Das Konzil beschloss, dieses „Allgemeine Gebet“ wieder in die Eucharistiefeier einzufügen – es war nämlich über Jahrhunderte verloren gegangen, nur die Karfreitagsliturgie kannte es noch.
Die Fürbitten in der gemeinschaftlich gefeierten Liturgie verdanken wir also dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Das Konzil sah darin einen verloren gegangenen Schatz, der neu gehoben werden sollte. Bei der Umsetzung der Liturgiereform beschloss man dann, keine verbindlichen Texte vorzuschreiben, sondern die konkrete Gestaltung den jeweiligen Liturgieverantwortlichen zu überlassen. Das hat zu einer Fülle kreativer Entwürfe und zur intensiven Auseinandersetzung mit Sinn und Form des Fürbittgebetes geführt – aber leider auch zu Missverständnissen. Die kommenden beiden Teile dieser kleinen Artikelreihe sollen auf beides näher eingehen.
Buchtipp:
Liborius O. Lumma,
Für-Bitten. verstehen, verfassen, vortragen. Tyrolia 2018, 144 S., Taschenbuch € 14,59
Wort zum Sonntag
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