Wort zum Sonntag
Was heißt genug? Wie viel ist das? Wann hab‘ ich genug? Was bedeutet „genug“ für eine Gesellschaft wie die unsere? Die Frage ist vielschichtig und vieldeutig.
Es ist nicht so einfach objektiv feststellbar, wie viel „Genug“ ist. Auch wenn Staaten und die Weltbank einen Wert festgelegt haben, wie viel zum Leben ein Mensch braucht. Im Moment sind das 2,25 Dollar pro Tag.
Wir wissen freilich um die Begrenztheit einer solchen Definition. Was „genug“ heißt, ist nicht bloß ein statistischer Wert, sondern hängt auch vom Lebensentwurf einzelner Menschen oder ganzer Gesellschaften ab. Wenn der Sohn einer Freundin findet, dass zwei Jeans, zwei Paar Schuhe, sein Zimmer und ein altes Handy vollkommen reichen, ist das ziemlich weit weg von dem, was andere für unverzichtbar halten. Und doch hat er mehr als viele.
„Ich hab‘ genug!“ kann eine Aussage über ein glückliches Leben sein. Ich habe genug zu essen, genug Platz, gute Freundinnen und Freunde, liebevolle Beziehungen, positive Erfahrungen. Dann ist „genug“ wirklich genug und eine wunderbare Größe.
Andererseits höre ich mich „Jetzt hab‘ ich genug!“ auch sagen, wenn es mir eigentlich mehr als reicht und ich nicht mehr mag, wenn ich möchte, dass etwas aufhört und zu Ende geht. Auch davon gibt es reichlich in meinem und in unserem gesellschaftlichen Umfeld. Trotzdem begegnen wir als Gesellschaft dem Aufhören eher mit Abneigung, sind dem Durchhalten und dem Immer-Mehr verhaftet.
Wie anders ist erklärbar, dass wir immer noch mehr haben wollen, immer noch mehr verbrauchen, der Konsum weiter steigt? Egal, was die Folgen für unsere Erde sind?
Es lohnt sich an der Stelle, der Bedeutung des Wortes „aufhören“ nachzugehen und zu schauen, was in diesem Wort mitklingt. Aufhören meint auch: Hören auf. Das ist etwas ganz anderes als ein einfaches Stopp – Ende – Aus. Damit ich auf etwas wirklich hören, dem bewusst Raum geben kann, muss ich mein Tun unterbrechen und innehalten.
Erst dann höre ich hin auf das, was gehört werden will. Echtes Hinhören gibt es nicht nebenbei, neben der Kulisse der Alltagsgeräusche und der scheinbar so vielen wichtigen Dinge.
Echtes Hören fordert die innere Bereitschaft dazu, mich einzulassen. Ganz berechtigt forderte also unlängst meine Enkelin, als sie mir dringend etwas erzählen wollte: „Oma, leg das Handy weg und schau her!“
Wenn es gelingt, heißt aufhören nicht, sich von etwas abzuwenden, sondern genau das Gegenteil. Nämlich sich hinzuwenden zu dem, was jetzt die ganze Aufmerksamkeit braucht.
Zum Beispiel das Schreiben „Laudate Deum“, das Papst Franziskus im Oktober veröffentlich hat. Im zweiten Absatz heißt es dort: „Aber mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt.“
Wenn wir wirklich hinhören, ist das ein Schritt der Veränderung. Denn wir werden danach nicht weitermachen können wir gehabt.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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