Wort zum Sonntag
Der Philosoph Friedrich Nietzsche beklagt, die Christen würden immer so traurig dreinschauen. Auch Papst Franziskus rät den Priestern, nicht immer mit einem Gesicht daherzukommen, als kämen sie gerade von einer Beerdigung. Lebensfreude scheint nicht gerade im Christentum beheimatet zu sein. Dabei bedeutet Evangelium „froh machende Botschaft“. Aber davon scheinen wir heute weit entfernt zu sein. Junge Menschen – und nicht nur junge – erfahren den christlichen Glauben als eine Serie von Ge- und Verboten und sehen in der Kirche eine Institution der Macht und des Geldes.
Wer die vier Evangelien durchblättert, wird wenig finden, was diese Eindrücke bestätigen würde. Im Gegenteil, wo immer Jesus unter den Menschen auftritt, werden sie befreit und froh; die Pharisäer und Schriftgelehrten weist er wegen ihrer Gesetzesfrömmigkeit und Engstirnigkeit zurecht. Besonders allergisch ist er gegen jede Form von Heuchelei. Wo Jesus von Gesetzen spricht, geht es immer um die Ehrlichkeit des Lebens.
Die Bergpredigt ist ein anschauliches Beispiel. Sie hat nichts mit willkürlichen Geboten zu tun, die den Menschen unterdrücken. „Die Wahrheit wird euch befreien“ (Johannesevangelium 8,32). Freilich ist die Wahrheit nicht immer bequem. Jesus hat uns keine Botschaft der Bequemlichkeit gebracht. Unsere menschlichen Emotionen treiben uns oft in die verkehrte Richtung. Wir wollen unseren eigenen, selbstsüchtigen Wünschen nachgeben. Statt Hass und Rache predigt Jesus Versöhnung und Verzeihung.
Wenn wir erlittenes Unrecht nicht ewig mitschleppen; wenn wir es als Unrecht bezeichnen, es aber auch vernarben lassen und uns durch die Vergebung davon trennen, werden wir freie Menschen. Das ist auch Sinn der Beichte. Wir bekennen unsere Sünden und lassen uns die Vergebung zusprechen. Wir sind wieder frei und dürfen nach vorne blicken.
Jesus sagt ferner: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannesevangelium 8,12). In seinem Licht werden die wahren Werte unseres Lebens sichtbar: die Liebe, die Gemeinschaft, die Treue, die Ehrlichkeit. Im Licht Jesu erkennen wir auch unsere Grenzen und Schwächen. Wir müssen nicht perfekt sein. Gott liebt uns, er ist barmherzig. Wir brauchen nur die Demut, uns von ihm annehmen zu lassen.
Der Autor
Der 1940 geborene Notker Wolf trat 1961 in die Erzabtei St. Ottilien (Oberbayern) ein und wurde 1977 zum Abt gewählt. Von 2000 bis 2016 war er als Abtprimas der oberste Repräsentant aller Benediktiner/innen weltweit.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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