Nachdem Kardinal Theodor Innitzer schon im September in Kirchschlag vor einer großen Menge von Gläubigen die Rechte der Kirche gegenüber dem Staat verteidigt hatte, nimmt er die Gelegenheit wahr, anlässlich einer Jugendfeier zum Rosenkranzfest am 7. Oktober 1938 im Stephansdom zu sprechen. Die Ausschreibung dieser seit Jahren gefeierten Jugendandacht kann diesmal wegen der Gefahr des Verbots lediglich im Diözesanblatt erfolgen. Die Werbung dafür liegt bei den Pfarrern und Jugendseelsorgern. Etwa 7000 junge Leute kommen in den Dom. Der Kardinal predigt und ermuntert die Jugendlichen: „Meine liebe katholische Jugend Wiens, wir wollen gerade jetzt in dieser Zeit umso fester und standhafter unseren Glauben bekennen, uns zu Christus bekennen, unserem Führer, unserem König und zu seiner Kirche.“ Und weiter: „Einer ist euer Führer, euer Führer ist Christus, wenn ihr ihm die Treue haltet, werdet ihr niemals verloren gehen.“ Zum Ende der Andacht rufen einige Angehörige der Hitler-Jugend im Dom „Sieg Heil.“ Nach Beendigung der Andacht sammeln sich die katholischen Jugendlichen auf dem Platz vor dem Dom und singen laut „Auf zum Schwure“. Dazu erheben sie die Schwurhand. Einzelne Nationalsozialisten werden verdroschen und es werden Sprechchöre angestimmt: „Ein Volk, ein Reich, ein Bischof“ oder „Lieber Bischof, sei so nett, zeige dich am Fensterbrett.“ Zeitzeugen behalten das Geschehen als einen Zustand der Ekstase, eine Art Ausnahmezustand bzw. emotionalen Ausbruch in Erinnerung. Das Rosenkranzfest 1938 ist zur größten Demonstration im „Deutschen Reich“ gegen die NS-Herrschaft geworden. Etwa 24 Stunden später verwüsten und plündern Angehörige der Hitler-Jugend und der SA das Erzbischöfliche Palais und das sogenannte Churhaus. Dabei werfen sie den Domvikar Johann Krawarik vom 1. Stock in den Hof. Ein zufällig für Bauarbeiten aufgeschütteter Sandhaufen bewahrt ihn vor tödlichen Verletzungen.
13. Oktober 1938
Als weitere „Reaktion“ organisieren die nationalsozialistischen Machthaber eine riesige Kundgebung auf dem Heldenplatz. Gauleiter Bürckel hetzt in einer brutalen Rede gegen den Kardinal und macht diesen für die vorangegangenen Ereignisse verantwortlich und wettert: „Wir dulden … nicht, dass gewissenlose Hetzer den jämmerlichen Versuch unternehmen, ihre sogenannten christlichen Österreicher vom deutschen Volk loszubeten. Die Ostmark ist bei Deutschland und wird es immer bleiben.“ Der Demonstrationszug zieht unter Pfuirufen am Erzbischöflichen Palais vorbei. Auf den mitgetragenen Spruchbändern steht zu lesen: „Die Pfaffen an den Galgen“, „Nieder mit dem Klerus“, „Innitzer nach Dachau“, „Zum Teufel mit den Jesuiten“, „Ohne Juden, ohne Rom, wird erbauet Deutschlands Dom“, „Innitzer und Jud, eine Brut“.