Nach welchen Kriterien Austragungsorte sportlicher Großveranstaltungen ausgesucht werden ist diskutierenswert, schreibt Heinz Niederleitner in seinem Kommentar.
Ausgabe: 2014/37, Wettkämpe, Olympia, WM, Sport
09.09.2014
- Heinz Niederleitner
Die EU-Staaten sollen die Fußball-WM 2018 in Russland boykottieren. Das war eine der Ideen, als es vergangene Woche um neue Sanktionen gegen Moskau ging. Einmal davon abgesehen, dass zu fragen ist, was eine Boykottdrohung vier Jahre vor dem Ereignis soll: Das Problem, nach welchen Kriterien die Austragungsorte sportlicher Großveranstaltungen ausgesucht werden, ist generell diskutierenswert. So wird die Fußball-WM 2022 in Katar stattfinden – in einem Land, dass für seinen mangelhaften Umgang mit den Menschenrechten kritisiert wird. Und Brasilien ist – trotz der schwierigen sozialen Lage – nach der heurigen WM Schauplatz der Olympischen Spiele 2016. Auch in der Vergangenheit waren Austragungsorte umstritten, etwa jene 1980 in der Sowjetunion oder 2008 in China sowie die Winterspiele heuer im russischen Sotschi. Ein ganz besonders fataler Fall waren die Spiele 1936 in NS-Deutschland. Und wenn mitunter Hoffnungen geäußert werden, solche Veranstaltungen helfen, die politische Situation zu verbessern, sind Zweifel angebracht: Die Spiele 1936 haben den Furor der Nazis nicht gebremst. Aber auch die Sowjetunion ist nicht wegen der Olympischen Spiele 1980 zusammengebrochen. Und was China betrifft: Dort wurde jüngst beschlossen, den Bürgern von Hongkong echte freie Wahlen zu verwehren. Fazit: Die Austragungsorte großer Veranstaltungen wurden und werden nicht nach Kriterien wie Menschenrechte, sozialer Lage oder Demokratie ausgesucht, sondern wohl eher nach finanziellen Interessen. Da kann man sich nur Papst Franziskus anschließen, der jüngst vor Fußball-Weltstars empfahl, Sport durch die „Wiederbelebung der Unentgeltlichkeit“ zu würdigen.