Lebenskunst ist, am ganz Gewöhnlichen Freude zu haben, weil man sich darauf einlässt und es nicht ständig dem noch Neueren opfert. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2014/37, Leitartikel
09.09.2014
Außerordentlich, außergewöhnlich, möglichst einmalig und erstmalig. So sollen Dinge und Ereignisse sein – dann erregen sie Aufmerksamkeit. Auch wir in der KirchenZeitung versuchen, von Außergewöhnlichem zu berichten – aber hoffentlich nicht nur, denn es gehört zu den Krankheitssymptomen unserer Zeit, dass sie die Lust am Gewöhnlichen verloren hat. Doch die Dinge bekommen ihre Bedeutung in dem, was sie jemandem bedeuten. Und nicht nur die Dinge, auch die Menschen. Lebenskunst ist, am ganz Gewöhnlichen Freude zu haben, weil man sich darauf einlässt und es nicht ständig dem noch Neueren opfert. Bloßer Reiz am Neuen steht möglicherweise für die Unfähigkeit, sich auf Gewöhnliches und Selbstverständliches einzulassen. Eine ständige Ablenkung vom Leben wäre es dann, eine Art Erlebnis-Verschwendung. Solange es nur Dinge sind: schade! Wenn es aber Menschen sind: tragisch! Wenn nach den Ferien in Pfarren überlegt wird, was man den Menschen anbieten könnte, so vielleicht dies: Was da ist, wahrnehmen und schätzen. Das ist ja die Hoffnung der Christen: dass Gott nicht nur an Außergwöhnlichen Gefallen findet, sondern selbst an so gewöhnlichen Leuten wie mir.