Christen sollen über ihren Glauben Auskunft geben können, schreibt Petrus. Aber müssen sie in einer Umwelt, die nur Wissen und Nicht-Wissen kennt, nicht zunächst einmal erklären, was „glauben“ bedeutet?
Glaubensserie von Heinz Niederleitner, Teil 1 von 3
Ausgabe: 2014/45, glauben, vertrauen
05.11.2014 - Heinz Niederleitner
Als ich als Kind Ministrant war, hat mich ein kirchenkritischer Verwandter wegen der religiösen Tätigkeit angesprochen. „Zu glauben“, so verkündete mir der gelernte Techniker, „heißt doch: nicht wissen.“ Ich gebe zu, dass ich damals nichts erwidern konnte. Der Lösung auf die Spur kam ich erst als Schüler, als ich Lateinvokabeln lernen sollte: „puto“ heißt: „ich meine, ich glaube, ich vermute“. Das hatte mein Verwandter gemeint. „credo“ bedeutet „ich glaube, ich vertraue“. Da wurde mir klar: Das deutsche Wort „glauben“ hat unterschiedliche Bedeutungen. Und mein Verwandter hat sie verwechselt.
Das Herz geben
Wenn Christinnen und Christen von Glauben sprechen, meinen sie „credo“: Das Wort kommt von „cor-do“: ich gebe mein Herz. Wem ich mein Herz gebe, dem vertraue ich. Glauben heißt also vertrauen. Nun ist es aber so, dass auch das Wort „Kredit“ von „credo“ kommt. Der Kreditgeber vertraut auf die Zusage des Kreditnehmers, dass er sein Geld (mit Gewinn) zurückbekommt. Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise, die mit geplatzten Krediten begonnen hat, ist das wenig vertrauenserweckend. Der Hintergrund dazu ist aber, dass das Vertrauen unhinterfragt einem Handeln galt, das des Vertrauens offenbar nicht würdig war. Man war zu „gutgläubig“. Andererseits ist jedes Zusammenleben von Menschen auf Vertrauen angewiesen: Keine Familie, kein Verein, kein Staat kann ohne ein Mindestmaß an Vertrauen funktionieren. Kinder vertrauen ihren Eltern, weil sie deren Liebe erfahren haben. Es gibt mit der Vernunft nachvollziehbare Gründe für dieses Vertrauen.
Mit Vernunft
Der christliche Glaube ist auch vernünftiges Vertrauen. „Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt“, hat Johannes Paul II. geschrieben (Enzyklika „Fides et ratio“). Es gibt gute Gründe, an die Existenz Gottes zu glauben. So kann beispielsweise die Welt ihr Dasein trotz aller Wissenschaft nicht selbst erklären. Die Frage nach dem letzten Ursprung unseres Daseins muss in der beweisführenden Naturwissenschaft ebenso unbeantwortet bleiben wie jene nach dem Sinn dieses Daseins. Auch überzeugte Atheisten müssen das einräumen. Ein anderer guter Grund für den Glauben sind die Früchte, die das Leben von Vorbildern im Glauben hervorzubringen vermochte, wie zum Beispiel caritative Werke oder der Einsatz für Gerechtigkeit.
Der Sprung des Glaubens
Bis ins Letzte beweisbar ist der Glaube freilich nicht. Es hat daher keinen Sinn, zum Beispiel Glaube und Naturwissenschaft gegeneinander auszuspielen. Denn beim Glauben geht es eben nicht um das Beweisen. Glauben bedeutet, eine Entscheidung im Leben zu treffen. Joseph Ratzinger hat von einem „Sprung des Glaubens“ geschrieben (in dem Buch „Einführung in das Christentum“). Sehr vereinfacht kann vielleicht in einem alltäglichen Beispiel sichtbar werden, was gemeint ist: Ein Kind springt seiner Mutter oder seinem Vater in die Hände. Es könnte vorher (selbst mit dem Wissen eines Erwachsenen) nicht beweisen, dass es aufgefangen wird.
Die Liebe
Der Grund, warum es Vater und Mutter vertraut, ist die Liebe, die ihm mit Wort und Tat „zugesagt“ wurde. Mit dem christlichen Glauben ist es ähnlich, auch wenn wir nicht den Vorteil des Kindes haben, das seine Eltern sehen kann: „Der Glaube entsteht vom Hören“, sagt der Apostel Paulus, wenn man die Stelle im Römerbrief (10,17) möglichst wörtlich übersetzt, „das Hören aber entsteht durch das Wort Christi“. In Christus ist uns die Liebe Gottes zugesagt. Als glaubende Christen vertrauen wir darauf. Und es gibt die Situationen, wenn es mit dem Glauben ernst wird: Vor allem dann, wenn mit dem Ende des irdischen Lebens auch unsere aus der Wissenschaft beweisbare Erfahrung an ihr Ende gelangt. Der christliche Glaube setzt an diesen Punkt das, was für mich im letzten Satz des Tedeums so unvergleichlich klar zusammengefasst ist: „Auf Dich, Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt: In Ewigkeit werde ich nicht verloren gehen.“