Mancher Beobachter meint Benedikt XVI. mische sich in die Debatten vor der Familiensynode 2015 ein. Kommentar von Heinz Niederleitner.
Ausgabe: 2014/48, Lärm, Neues, Familiensynode 2015, Benedikt XVI.
26.11.2014
- Heinz Niederleitner
„Benedikt XVI. bricht sein Schweigen“ tönt es, weil der emeritierte Papst im Rahmen der gesammelten Ausgabe seiner Werke einen Aufsatz von 1972 verändert hat: In seiner mittleren Schaffenszeit hielt es Joseph Ratzinger für möglich, dass wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Umständen zur Kommunion gehen können. Nun kommt er nicht mehr zu diesem Ergebnis – auch wenn sich die Grundlagen, auf die sich seine Argumentation stützt, nicht geändert haben. Damit, so die Meinung mancher Beobachter, mische sich Benedikt XVI. in die Debatten vor der Familiensynode 2015 ein.
Nun ja: Dass die so betonte Textveränderung nicht notwendig gewesen wäre, ist klar: Jeder, der sich nur ein bisschen mit den Schriften Ratzingers beschäftigt, weiß, dass sein Denken einen konservativen Wandel durchgemacht hat. Mancherorts sind Vergleiche à la „Ratzinger einst und jetzt“ schon länger eine Art Sport. Und dass Sätze wie „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“ gerade beim Relativismus-Kritiker Ratzinger Belege zu haben scheinen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Aus dem Erscheinungsdatum der Aufsatz-Neufassung aber eine direkte und konservative Einflussnahme des emeritierten Papstes auf die kommende Familiensynode zu konstruieren, ist übertrieben. Solch ein plumpes Vorgehen sollte man Joseph Ratzinger nicht unterstellen. Vielmehr zeigt sich gerade durch die zwei Text-Varianten bei Ratzinger, dass die Frage nach den Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene nicht einfach nur mit „Nein“ beantwortbar ist – auch wenn sich das manche wünschen.