Um die Psychotherapie ist ein Streit wegen der Verbindung von wissenschaftlich anerkannten Methoden und den Heilungswegen spiritueller Weisheit im Gang. Das führt zur Frage: Hält die messbare Wissenschaft in ihrem Feld die nicht messbare Weisheit aus?
Der Linzer katholische Theologe, Psychotherapeut und „Stadtschamane“ Dr. August Thalhamer wurde – wie viele andere auch – vom Gesundheitsministerium aufgefordert, seinen Internetauftritt zu verändern. Psychotherapeut/innen dürfen nicht auf ihren spirituellen Hintergrund und ihre spirituellen Therapie-Zugänge verweisen. Es seien also zwei voneinander unabhängige Homepages einzurichten: eine rein psychotherapeutische und eine spirituelle – man dürfe sie auch nicht verlinken.
Nicht vermischen
Wissenschaft und Esoterik sollen nicht vermischt werden, will eine Richtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten über das Verhalten in der Öffentlichkeit. „Kulturkampf“ nennt es Thalhamer, der in einer Streitschrift für eine Rückeroberung der verträglichen Verbindung von Wissenschaft und spiritueller Weisheit kämpft. Wenn der Therapeut seinen spirituellen Hintergrund aufzeigt und auch spirituelle Heilverfahren anbietet, sei das ehrlich und klar. Manche kämen zu ihm, weil er Theologe ist, manche deswegen nicht. Die Trennungs-Richtlinie aber fordere auf zu verschweigen, dass der Therapeut/die Therapeutin zum Beispiel auch christliche Heilseminare und Meditationswochen anbietet.
Mehr Kunst als Technik
Damit soll der Scharlatanerie und Esoterik ein Riegel vorgeschoben werden. Dem kann Thalhamer zustimmen. Auch er möchte seinen Beruf zum Beispiel von den Scientologen, die abhängig machten, abgegrenzt wissen. Doch das Verbot, den spirituellen Hintergrund samt entsprechenden Zusatzangeboten zu benennen, werte die Erfahrung und Weisheit der Religionen und Traditionen ab. Sie anerkenne nur das Mess- und Zählbare. Thalhamer wundert auch, dass Heil und Heilung in der kirchlichen Praxis kaum mehr in Verbindung gesehen werden. „Vielleicht“, meint er, „hat sich das Christentum auch deshalb so schnell ausgebreitet, weil Kranke von der Eucharistiefeier manchmal gesund heimgegangen sind.“ Theologie und Kirche sollten sich um diese Quelle mehr kümmern. Die Weisheit der Schamanen sei – auch wenn wir manches wissenschaftlich nicht erfassen können – vielfach offenkundig. Thalhamer leitet seine Streitschrift mit einem Viktor-Frankl-Zitat ein: „So viel Technik und Wissenschaft in die Psychotherapie eingehen mögen, irgendwie und letzten Endes basiert sie weniger auf Technik als auf Kunst und weniger auf Wissenschaft als auf Weisheit.“
Von Alexander-Technik bis Yoga
Viele Psychotherapeut/innen in Österreich wenden neben westlichen auch spirituelle und transpersonale Methoden an, argumentiert Thalhamer. Er nennt unter anderem Holotropes Atmen, achtsamkeitsbasierte Verfahren, Alexander-Technik und Bioenergetik, Breema und ähnliche Formen der Körperarbeit, Yoga, Tai Chi, Chi Gong, schamanische Heilarbeit, Reiki, Kinesiologie, Strömen. „Die Weltgesundheitsorganisation WHO misst für die Behandlung psychosomatischer Krankheiten dem Schamanismus gleiche Bedeutung wie der westlichen Medizin zu“, sagt Thalhamer. Die WHO sei bemüht, traditionelle/komplementäre Heilmethoden zu erforschen. Dass in Österreich Therapeut/innen diese zwar praktizieren, aber nicht öffentlich als Einheit darstellen dürfen, was sie als Einheit begreifen – Praxis und spiritueller Boden – entspringe, so Thalhamer, einem materialistischen Weltbild.