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„Hundertmal besser als Häfen“

Stephan* hatte bis vor Kurzem eine elektronische Fußfessel. Er war damit einer von derzeit knapp 300 Straftätern in Österreich, die mit einer Fußfessel in eingeschränkter Freiheit, ihre Strafe verbüßen. Stephan war wegen zwei Gewaltdelikten verurteilt.
Ausgabe: 2015/4, Fußfessel, Straftäter, Gewaltdelikte, Stephan, NEUSTART
22.01.2015
- Ernst Gansinger
© Puch Johannes
Für Stephan, einen Arbeiter, war die Fußfessel ein Glück, wie auch für seine Angehörigen. Stephan konnte dadurch weiterhin seiner Arbeit nachgehen sowie die Alimente und die Kosten für die Wohnung zahlen. Keinen Tag war er arbeitslos; der Chef und die Kollegen sind zu ihm gestanden. Er blieb weiterbeschäftigt, obwohl er unter Alkoholeinfluss bei ­einer Firmenfeier einen Arbeitskollegen niedergeschlagen hatte.

Genauer Tagesablauf


Stephans Tagesablauf wurde für die Bewilligung der Fußfessel festgehalten:  An Wochentagen verließ er um etwa 5 Uhr die Wohnung, um in die Arbeit zu gehen, und kam ungefähr um 19 Uhr heim. Zwei Mal pro Woche waren ihm je eine Stunde Aufenthalt im Freien bewilligt. An einem anderen Tag hatte er den wöchentlichen Termin mit  seinem Betreuer von „NEUSTART“. An arbeitsfreien Tagen durfte er zwei Stunden draußen sein, und wenn am Sonntag die Kinder kamen, standen ihm vier Stunden zur Verfügung. In den acht Monaten der elektronische Überwachung durfte er zwei Mal einen ganzen Tag außerhalb seines Hauses und des Arbeitsplatzes sein. Die nutzte er für gemeinsame Unternehmungen mit den Kindern.

Mit Alkomat


Das Leben ist anders geworden, erzählt Stephan. Bei ihm zu Hause stand während der Fußfesselzeit ein Alkomat. Bevor er das Haus verließ und wenn er heimkam, musste er blasen. Alkohol war streng verboten. Jemand anderer hätte an seiner Stelle  nicht blasen können, denn der Alkomat machte gleichzeitig ein Foto. Er durfte daheim auch nicht in den Keller, denn dort war keine Überwachung installiert. Wenn er vom Keller etwas brauchte, holte es sein Vater oder jemand anderer.

Keine Schulden


„Was hast denn da am Fuß?“, wollte eines der Kinder wissen. „Das ist so eine Uhr“ – mit dieser Antwort war das fragende Kind zufrieden. Niemand in seiner Umgebung machte viel Aufhebens um Stephans geänderten Lebensstil. „Ich habe mir viel Geld erspart“, denkt Stephan an die nun schon beendete Fußfesselzeit zurück. Er durfte nicht unterwegs sein und keinen Alkohol trinken. Das waren im Nebeneffekt auch Sparmaßnahmen. Hätte er die Strafe im Gefängnis verbüßt, stünde er jetzt vor Schulden. „Am Anfang war’s schon blöd, wenn meine Freunde zu einer leiwanden Party gingen und ich nicht mitkonnte. Aber man gewöhnt sich dran. Die Fußfessel ist jedenfalls hundertmal besser als Häfen!“ Er ist auch ruhiger geworden und nach der Befreiung von der ­Fessel weiterhin zurückhaltend mit dem Alkohol. „Ich will so was nicht mehr haben“, versichert er.
* Name von der Redaktion geändert

Stichworte

Fußfessel


Seit es in Österreich die Möglichkeit der elektronischen Fußfessel gibt
(1. Sep. 2010), wurde sie mehr als 2650-mal in Anspruch genommen. Auf diese Weise wurden im Jahr 2013 rund 85.000 stationäre Hafttage vermieden. Damit erspart sich der/die Täter/in viel und der Staat auch.

Freigang


Viel wird derzeit über eine andere Erleichterungs-Maßnahme im Vollzug geredet: den Freigang (Ausgang zum Arbeiten auswärts). Diesen kann jede/r Strafgefangene beantragen, wenn die Reststrafzeit nicht länger als drei Jahre ist. Geprüft wird bei der Entscheidung über den Antrag u.a., welche Vorstrafen der/die Gefangene hat und wie er/sie sich bisher in der Haft verhalten hat. Im Durchschnitt haben etwa 380 Gefangene Freigang. 2014 gab es ungefähr 90.000 Freigangs-Tage.
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