Die Bemühungen, den seit mehr als 50 Jahren bestehenden Konflikt zwischen Guerillabewegungen und dem Staat in Kolumbien zu lösen, sind bisher immer gescheitert. Nun gibt es Hoffnung. Die derzeitigen Friedensverhandlungen „laufen sehr gut“, sagt Jaime Humberto Díaz Ahumada, Direktor von „Podion“. Die Organisation setzt sich seit vielen Jahren für Frieden im Land ein.
Gibt es schon Ergebnisse der gegenwärtigen Friedensverhandlungen? Jaime Humberto Díaz Ahumada: Die ersten drei von insgesamt fünf Punkten sind bereits fertig verhandelt. Bei der ländlichen Entwicklung einigte man sich darauf, dass ein Landfonds gegründet wird, der die Lebensbedingungen der bäuerlichen Bevölkerung verbessern soll. Da geht es um Bildung, um Gesundheit, um Infrastruktur und den Zugang zum Markt. Was die politische Reform betrifft, so wurde ein neues Statut der Opposition geschaffen. Dieses impliziert, dass die freie politische Meinungsäußerung garantiert sein muss und nicht wie in der Vergangenheit politische Gruppen, die andere Meinungen haben, ausgeschlossen werden.
Ein problematisches Kapitel ist sicher auch der Drogenhandel ... Jaime Humberto Díaz Ahumada: Ja, erstmals hat die Guerillabewegung FARC-EP zugegeben, dass sie beim Drogengeschäft mitgeschnitten hat. Sie haben sich jetzt verpflichtet, sowohl die Anbaugebiete als auch die illegalen Handelswege zu identifizieren. Das Problem ist, dass viele Kleinbauern, die Koka anbauen, keine realistischen Alternativen dazu haben. Die traditionellen Produkte wie Kochbananen oder Yuca sind erstens weniger rentabel, zweitens ist es auch viel schwieriger, sie auf den Markt zu bringen, weil größere Mengen notwendig sind, um die Familie zu ernähren. Deswegen ist es – wie schon erwähnt – entscheidend, dass der Zugang zum Markt, also die Infrastruktur, verbessert wird.
Welche Punkte müssen noch verhandelt werden? Jaime Humberto Díaz Ahumada: Unter anderem das Thema der Opfer des bewaffneten Konflikts. In den letzten drei Monaten sind insgesamt 60 Fälle bei den in Havanna laufenden Verhandlungen aufgerollt worden, die die Grausamkeit der Gewalt anschaulich machten. Zum ersten Mal saßen einander Opfer und Täter gegenüber – eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Ein Bursche, dem ein Bein amputiert werden musste, hat am Verhandlungstisch die Prothese abgenommen und gesagt, „ich wollte nicht weinen, aber wie könnte ich nicht weinen – ihr habt meinen besten Freund umgebracht.“ Und die Guerilleros mit hängenden Köpfen gaben zu, was für ein Unrecht sie verbrochen haben. Insgesamt sind bei dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien mindestens 220.000 Menschen ums Leben gekommen. Wie dieses Friedensabkommen ratifiziert werden soll, darüber wird noch diskutiert.
Gibt es Hoffnung, dass es zu einer Konfliktlösung kommen und der Dialog den Frieden bringen wird? Jaime Humberto Díaz Ahumada: Friede kann nur aufgebaut werden auf der Grundlage von sozialer Gerechtigkeit, an der es in Kolumbien mangelt. Aber was die Beendigung des bewaffneten Konflikts betrifft, so stehen die Zeichen sehr gut. Nie zuvor ist man in den Gesprächen so weit gekommen wie jetzt. Was noch fehlt sind Verhandlungen mit der Guerillabewegung ELN. Im Hinblick darauf hat sich die Regierung an die Kirche gewandt und sie gebeten, diskret einen Dialog mit ihnen anzubahnen. Hintergrund ist, dass die ELN große Sympathie gegenüber der katholischen Kirche hegt, weil sie viele Jahre u. a. vom kolumbianischen Priester Camilo Torres geprägt wurde, der 1966 in den Reihen der ELN gefallen ist.
Die katholische Kirche spielt bei den Friedensverhandlungen also eine zentrale Rolle ... Jaime Humberto Díaz Ahumada: Ja, sowohl bei den FARC-EP, besonders aber bei den ELN sind immer wieder Priester als Vermittler tätig. In den oft sehr vernachlässigten Gebieten Kolumbiens ist die Präsenz der katholischen Kirche sehr wichtig, weil sie die einzige Kraft ist, die überall Zugang hat. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Luis Augusto Castro Quiroga, ist ein sehr engagierter Mann. Er begleitete auch die Opfervertreter nach Havanna und war bei den Gesprächen von zentraler Bedeutung.