Das heurige Gedenken an das Kriegsende 1945 ist schwieriger als jenes an den Ersten Weltkrieg im Vorjahr, sagt Heidemarie Uhl. Die Historikerin hat eine Ausstellung dazu am Wiener Heldenplatz mitgestaltet.
Ausgabe: 2015/16, Uhl
15.04.2015 - Heinz Niederleitner
Als die Front Österreich erreichte, starben hier noch rund 30.000 Menschen durch Endphaseverbrechen von NS-Tätern: 26.000 ungarische Juden auf Todesmärschen, aber auch gelynchte alliierte Flieger, Deserteure oder Regimegegner. „Das sind Aspekte des Kriegsendes, die bisher ausgeblendet wurden“, sagt Heidemarie Uhl, welche die Ausstellung „41 Tage. Kriegsende 1945 – Verdichtung der Gewalt“ mit Dieter A. Binder, Georg Hoffmann und Monika Sommer betreut hat. Die Schau thematisiert einige dieser Verbrechen. Sie soll einen Beitrag leisten, differenzierter als bisher des Kriegsendes zu gedenken, das lange im Schatten des Staatsvertrags 1955 stand. Der brennende Stephansdom, die Bombenangriffe, die Vergewaltigungen durch Soldaten: Österreich habe sich vor allem als Opfer des Krieges gegen den Nationalsozialismus verstanden, sagt Uhl, die an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht. Nicht nur die Endphaseverbrechen, sondern auch der Aspekt der Befreiung vom NS-Regime rückte dabei in den Hintergrund.
Befreiung
„Für KZ-Häftlinge oder NS-Gegner wie den späteren Bundeskanzler Leopold Figl, der nur knapp der Hinrichtung entging, war das Kriegsende ganz klar eine Befreiung. Aber auch wenn man allgemein Tagebücher aus dem Jahr 1945 liest, stehen dort Befreiung und Erleichterung stärker im Vordergrund als im späteren Gedenken“, sagt die 58-jährige gebürtige Steirerin Uhl, die sich bereits seit ihrer Dissertation mit Erinnerungskulturen auseinandersetzt. Das Interesse an Geschichte allgemein habe in den letzten Jahren zugenommen, sagt die Expertin: „Gesellschaften schöpfen Orientierung aus der Vergangenheit, weil Zukunftsoptimismus geschwunden ist.“ Umso wichtiger dürfte ein differenzierter Umgang damit sein. Die Ausstellung läuft von 16. April bis 3. Juli. Infos: www.oeaw.ac.at/41Tage