Günter Wallraff ist Enthüllungsjournalist und Autor. Bei einer Lesung in der Bruckmühle in Pregarten in der vergangenen Woche gab der Meister der Verkleidung spannende Einblicke in seine Arbeit und sprach über Missstände unserer Gesellschaft.
Seit den späten Sechzigern schlüpft Günter Wallraff immer wieder, verkleidet und unter falschen Namen, in die verschiedensten Rollen, um Missstände in der Arbeitswelt und der Gesellschaft aufzudecken. Er war politischer Gefangener in Griechenland, war Alkoholiker in einer psychiatrischen Anstalt; Obdachloser; ein Student, der ein Zimmer sucht und katholischer Fabrikant, Paketdienstbote, und vieles mehr. Sein Buch „Ganz unten“ wurde allein in Deutschland 5 Millionen mal verkauft.
Ein unermüdlicher Kämpfer für soziale Gerechtigkeit
„Die Ausbeutung von Arbeitern nimmt seit Jahrzehnten systematisch zu“, mahnt Günter Wallraff: „Die Angst vor der Entlassung treibt heute viele Menschen dazu, auch bei widrigsten Bedingungen ihre Arbeit zu verrichten. Und das zu Löhnen, die diese Bezeichnung gar nicht verdienen. Die Gier verschlingt dabei die Menschenwürde.“ Dabei scheut es der 73-Jährige bis heute nicht, sich selbst ein Bild von den miserablen Arbeitsbedingungen zu machen. Nicht wenige Male stand er deswegen unter Polizeischutz oder vor Gericht. Doch seine Arbeit trägt Früchte. Immer wieder führen die Veröffentlichungen Wallraffs zu schnellen Verbesserungen in den Betrieben. Es brauche aber in Zukunft eine größere Institution und Öffentlichkeit, meint Wallraff und nennt die Arbeiterkammer in Österreich als mögliches Vorbild.
Ein Bewunderer Franziskus‘
Auf die Frage nach der Rolle der Religion in der Arbeitswelt meint Wallraff: „Im Grunde geht es ja immer um ein zentrales christliches Thema. Nämlich um die Nächstenliebe.“ Eine gesunde Gesellschaft beruhe auf einer solidarischen Grundeinstellung, in der das Gemeinwohl oberstes Ziel sein müsse. Er sei zwar schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten, verspüre mit Papst Franziskus aber einen neuen, frischen Wind. „Er lebt im Grunde genau das vor, von dem auch ich spreche. Er nimmt sich zurück und verzichtet auf großen Prunk. Unsere Gesellschaft braucht dringend Entschleunigung und Besinnung auf klare Werte. Das gefällt mir. Für mich taugt dieser Papst wieder als Vorbild. Wenn der so weiter macht, dann trete ich womöglich wieder in die Kirche ein. Aber davor soll mich Gott bewahren“, scherzt der Kölner mit einem Augenzwinkern.
Zur Person
Günter Wallraff
Der deutsche Enthüllungsjournalist und Autor Günter Wallraff wurde am 1. Oktober 1942 in Burscheid bei Köln geboren. Er ist in dritter Ehe mit der Fernsehjournalistin Barbara Munsch verheiratet und ist Vater von fünf Töchtern.
Aus einer Arbeiterfamilie stammend, begann er schon in den frühen Sechzigern damit, von den teilweise unerträglichen Arbeitsbedingungen in den Thyssen-Stahlwerken zu berichten. Bekannt wurde er unter anderem durch das Aufdecken „schwerer journalistischer Versäumnisse und unsauberer Recherchemethoden“ bei der BILD-Zeitung. Die Ergebnisse seiner Arbeit veröffentlichte der Kölner in über 30 Büchern und Texten, Filmen und Fernsehsendungen. Aktuell ist der 73-Jährige mit der Sendung „Team Wallraff“ auf RTL zu sehen. Undercover-Reporter filmen dabei in verschiedenen Unternehmen mit versteckter Kamera und Experten geben wichtige Ratschläge für Arbeitnehmer. „Man muss sich verkleiden, um die Gesellschaft zu demaskieren, muss täuschen und sich verstellen, um die Wahrheit herauszufinden“, ist das Credo des Kölner Journalisten.