Ob beim Obstkauf, gegenüber Bettlern auf der Straße oder ganz allgemein im täglichen Umgang mit Menschen: Der Alltag steckt voller Entscheidungen, die moralisch-ethische Fragen aufwerfen. In unserer neuen Serie greift der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger einige davon auf.
Ausgabe: 2015/19, Verbote
06.05.2015 - Michael Rosenberger
Fallbeispiel: An einem öffentlichen Badesee ist das Füttern von Enten verboten: Ihr Kot verschlechtert die Wasserqualität. Trotzdem sind Menschen zu sehen, die die Enten mit altem Brot füttern. Auch Hundebesitzer kommen trotz Verbots mit den Vierbeinern an den See. Oder: Auf manchen Wegen ist das Radfahren aus Sicherheitsgründen verboten. Wie soll man nun damit umgehen? Soll man die Menschen freundlich auf die Verbote hinweisen, lieber die Gemeindebehörde zu Kontrollen aufrufen oder einfach nichts sagen, weil es einen ja nichts angeht?
Antwort: Situationen wie diese treten oft auf: Man sollte einen Fremden, der sich in der Nähe aufhält, auf ein Fehlverhalten hinweisen, scheut das aber. Man mischt sich doch nicht in die Privatsphäre des anderen ein! Man ist doch kein Polizist! Wo ist denn die Badeaufsicht – die wäre doch dafür zuständig! – Nur: Es lässt sich nicht alles auf Amtspersonen abschieben.
Courage. Eine gewisse Courage ist schon nötig, wo Menschen zusammenleben. Wer also sollte den Hundebesitzer, die Entenfütterin oder Radfahrer ansprechen, wenn das prinzipiell viele Menschen tun könnten? Dafür gibt es eine einfache Regel: Der oder die Nächste. Und in diesem Fall darf man das ganz wörtlich verstehen. Wer sich zu demjenigen am nächsten aufhält, der gegen eine Weg- oder Badeordnung verstößt, sollte sich verantwortlich fühlen, etwas zu sagen. Respekt. Die zweite Frage lautet: Wie soll derjenige es sagen? Selbstverständlich gilt Folgendes: Der Respekt vor dem Anderen gebietet Freundlichkeit. „Entschuldigung“, „bitte“ und „danke“ können Schlüsselwörter sein. Und wenn man will, dass die Botschaft ankommt, rät die Psychologie zu „Ich-Botschaften“: „Entschuldigung, aber ich bade gerne in sauberem Wasser. Deswegen gehe ich gerne an diesen See, an dem die Badeordnung … Darf ich Sie daher bitten …“ In den meisten Fällen wird ein solcher Gesprächsbeginn schnell Erfolg haben. Und wenn nicht, heißt es unter den benachbarten Badegästen zügig Verbündete zu suchen.