21. Juni. Sommersonnenwende. Ab diesem Moment geht es bergab mit dem Jahr. Viele erfüllt das Kürzerwerden der Tage mit einer Art Trauer. Die schönste Zeit, vorbei! Wirklich? Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Und wenn es das Leben ist: Da beginnen Menschen auf einmal von ihrem restlichen Leben zu reden. Was halt noch da ist. Aber schätzt man nicht sonst das rar Gewordene als das Kostbare? Es ist, als ob ein Bergsteiger nur den Gipfel als lohnenswertes Ziel betrachten würde. Gewiss. Am Gipfel, da ist man ganz oben – aber noch lange nicht am Ziel. Und: Ganz oben, da ist man auch ganz weit weg von vielem. Der Rückweg gehört dazu. Er bedeutet eine Herausforderung, birgt auch Gefahren. Die Kraft ist nicht mehr so da. Da kann noch vieles schiefgehen. Erst wenn man heimgekommen ist, ist die Tour zu Ende. Wie gut haben es Menschen, die ihr Älterwerden so sehen können: Nicht nur als einen mit jedem Tag kümmerlicher werdender Rest, der noch bleibt, sondern als immer kostbarer werdende Zeit. Mit ihren Anforderungen, mit ihren Überraschungen. Mit Möglichkeiten. Voll wird sie dann, nicht leer. Es gibt ein Lohnen in den Mühen des Abstiegs – weil am Ende ein Ankommen, ein Heimkommen steht.