Wer ein schönes Ereignis mitfilmt, um es sich später noch einmal anschauen zu können, dem könnte etwas Entscheidendes entgehen: Die Freude am direkten Erlebnis. Ein Unter Uns von Dominik Hennerbichler.
Ausgabe: 2015/26
24.06.2015
- Dominik Hennerbichler
Bestimmt gehen Sie gerne auf Konzerte, so wie ich. Und so freute ich mich schon seit Wochen auf den Auftritt eines Lieblingsmusikers. Musik ist ja bekanntlich so wie vieles im Leben Geschmackssache, aber ein Konzert steht immer unter einem ganz besonderen Stern. Es ist vor allem die Atmosphäre einer solchen Veranstaltung. Das Kribbeln kurz bevor‘s losgeht, die Euphorie während des Konzerts, wenn man mit Tausenden Gleichgesinnten mit der Musik mitgeht und die leichte Erschöpfung danach, wenn Adrenalin und Dopamin nachlassen. Das alles gibt einem die Musik, wenn man sich auf sie einlässt. Die junge Frau, die während des Konzerts neben mir stand, bekam von alledem aber vermutlich nichts mit. Geschlagene drei Stunden, solange dauerte der Auftritt, stand sie mit ihrem Mobiltelefon im Anschlag da und starrte auf ihren vier Zoll kleinen Monitor. Zwischendurch setzte sie ab, um das eben aufgenommene Video ins Internet zu stellen. Auf meine Frage, warum sie denn jedes einzelne Lied abfilmen müsse, antwortete sie mir: „Damit ich mir das Konzert zu Hause anschauen kann.“ Aha, dachte ich mir. Ob sie dann auch die gleichen Emotionen und Gefühle empfindet, die sie hier verpasst, wage ich zu bezweifeln. Gefühle lassen sich nicht am Handy konservieren.