Sie stehen in Fußgängerzonen mit Block und Bleistift, Männer und Frauen von Hilfsorganisationen, und sprechen jeden an. Wirklich jeden? Nein, eigentlich nur die Jüngeren ... Ein Unter Uns von Ernst Gansinger.
Ausgabe: 2015/27 Fußgänger, Alter
30.06.2015
- Ernst Gansinger
Sie stehen an allen dicht begangenen Ecken. Mit gezücktem Block und Bleistift stürzen sie sich in den Weg der Eilenden: „Haben Sie kurz Zeit? Es geht um ...“ Von weitem sehe ich sie und ich weiß: ich habe keine Zeit. So gehe ich den „kurzen Zeiträubern“ fest entschlossen entgegen, und – an ihnen vorbei. – Man fragt mich nicht! Man hält meine Meinung nicht für wichtig. Andere sind gefragt, ich nicht. Der vorbereitete Grant: Lasst mich in Ruhe, ich bin drawig, wird zum Sinnieren: Bin ich so uninteressant? Dieses Erlebnis habe ich in der Linzer Fußgängerzone immer wieder. Sie wechseln sich ab, die sich in den Weg der anderen werfen und fragen: „Haben Sie kurz Zeit für mich?“ Wen halten die auf, werd‘ ich neugierig. – Nur die Brillenträger oder die Hinkenden, die Gesackelten oder die Zerschlissenen? – Nein, sie stürzen sich auf die Jungen. Mir sieht man also an, dass ich nicht mehr jung bin. Deutlicher wie auf dem Meinungsforschungsmarkt passiert nirgendwo eine Altersfeststellung. Wenn die wüssten, dass ich mit vielen ihrer Anliegen sympathisiere; es sind ja meist Menschenrechts- und Umweltorganisationen. Scheint eine einseitige Sympathie zu sein. Jedenfalls hält Sympathie nicht jung.