Im letzten Jahr kam plötzlich die in Österreich kaum bekannte Zentralafrikanische Republik in die Schlagzeilen. Ein Kampf zwischen Christen und Muslimen sei im Gang, hieß es in den Medien. „Es war nie ein Religionskrieg“, widerspricht Abbé Philippe Grebalet. Der Priester erlebte selbst die Kämpfe in seiner Heimat mit.
Doppelt so groß wie Deutschland, aber nur fünf Millionen Einwohner – das ist die Zentralafrikanische Republik. Zentralafrikanisch sagt bloß, wo der Staat liegt: mitten in Afrika – mit dem Kongo, Sudan und Tschad als angrenzende Staaten, um nur einige der Nachbarn zu nennen. Wirtschaftlich ist das Land alles andere als zentral. Es wäre für Europa völlig bedeutungslos, gäbe es nicht so reiche Vorkommen an Bodenschätzen: Uran, Erdöl, Diamanten und Edelhölzer. Der Kampf der internationalen Konzerne um Schürf- und Exportrechte ist auch der Grund, warum das Land seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 nicht zur Ruhe gekommen ist. „Der Start in die Eigenständigkeit ist nie wirklich geglückt. Wir sind Weltmeister in Staatsstreichen“, meint Abbé Philippe Grebalet mit hörbarer Ironie.
Verstecken hinter der Religion
Im März 2013 ist die Lage wieder einmal explodiert. Das Rebellenbündnis Seleka vertrieb den Präsidenten François Bozizé. Die Seleka-Rebellen bestehen zu 80 Prozent aus muslimischen Kämpfern, ein Großteil davon Söldner aus dem Sudan und dem Tschad, sagt Abbé Philippe: „Es ist richtig, dass sich ihre Gewalt besonders gegen Christen gerichtet hat und dass als Reaktion auf den Putsch die von Christen dominierte Anti-Balaka-Miliz entstand.“ Aber von einem Krieg Christen gegen Muslime zu sprechen, lehnt er vehement ab. Beide Seiten verübten massive Menschenrechtsverletzungen. Beide Seiten sind ganz gewöhnliche Kriminelle, die sich hinter der Religion verstecken. „Kein Bischof und auch kein Imam haben je gesagt: Greift zu den Waffen. Im Gegenteil. Die Religionsführer haben immer zum Frieden aufgerufen“, unterstreicht der Priester. Er wurde selbst Zeuge der Verwüstungen und Plünderungen und hat Gewalt am eigenen Leib erfahren, weil er nicht aus seiner Pfarre geflohen ist, sondern bei den Leuten blieb. Mindestens 10.000 Menschen wurden getötet. 2014 einigten sich die Konfliktparteien auf eine Übergangsregierung. 100.000 Menschen sind nach wie vor nicht in ihre Dörfer und Städte zurückgekehrt. Denn die Gewalt hält noch immer an, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Der Südwesten des Landes ist weiterhin von der Anti-Balaka dominiert, der Nordosten von Seleka und in der Hauptstadt regiert eine Übergangspräsidentin.
Bodenschätze als Fluch
Im Oktober 2015 soll gewählt werden. Aber von den Wahlen, bei denen 75 Parteien antreten, erwartet sich Abbé Philippe wenig: „Wir brauchen einen Versöhnungsprozess in der Gesellschaft. Wir müssen die Rebellen im Herzen entwaffnen. Dazu gehören auch die 10.000 Kindersoldaten.“ Der Priester gibt sich keinen Illusionen hin, wie schwierig dieser Weg werden wird, nach all dem, was man einander angetan hat. Aber er weist auch auf Hoffnungszeichen hin: So haben sich Christen kürzlich für einen Moscheebau eingesetzt, der oberste Imam des Landes hat aufgerufen, im Ramadan Reue zu zeigen, und Priester öffnen ihre Kirchen, damit die Menschen – Christen und Muslime – in gefährdeten Gebieten in Sicherheit schlafen können. Das Wüten und Morden der Rebellengruppen mag sich verselbstständigen, doch hinter allem stehen immer die Bodenschätze, erläutert Abbé Philippe. Der jüngste Konflikt hat begonnen, als die Regierung laut darüber nachgedacht hat, chinesischen Konzernen Schürfrechte einzuräumen. „An dem Tag, an dem Frankreich im Land seine Interessen gesichert hat, ist Frieden.“