Ausgabe: Klaus Dietz SJ, Schweden, EU-Serie, Europa-Serie, K. G. Hammar, Bischof Brandenburg, Flüchtlinge, St. Lars, Uppsala,
28.07.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
In Schweden leben 70 Nationen unter dem Kirchendach von St. Lars. 1945 lebten gerade 5000 Katholiken in Schweden. Durch die Aufnahme von Flüchtlingen ist ihre Zahl auf 165.000 gestiegen. Und Intellektuelle haben der Kirche mehr an Einfluß und Achtung verschafft, als die kleine Zahl es vermuten ließe.„Hej, Klaus!“ ruft mir ein Radfahrer fröhlich zu, und gerade noch erkenne ich, daß es der evangelische Erzbischof von Uppsala ist, K. G. Hammar, Oberhaupt der Schwedischen Kirche. So selbstverständlich und freundschaftlich sind die ökumenischen Kontakte in der Stadt, die wegen ihrer zentralen Verwaltung auch als „Vatikan“ der evangelisch-lutherischen Staatskirche genannt wird. Dialog, Respekt und Vertrauen zwischen den Kirchen sind, trotz theologischer Unterschiede, eine Wirklichkeit und nicht nur Worte.Wachstum: fünf ProzentVor etwa einer Generation sah das jedoch noch anders aus. Die Katholiken waren eine unbedeutende Zahl von Einwanderern – ein Fremdkörper in der schwedischen Kultur. Obwohl die 165.000 Katholiken auch heute nur mit knapp zwei Prozent der Gesamtbevölkerung (8,8 Millionen) eine verschwindende Minderheit darstellen, sind sie in Kultur und Gesellschaft geachtet, oder wie Bischof Brandenburg gerne mit einem Lächeln betont: „In der Schwedischen Akademie und in Gefängnissen sind wir Katholiken überrepräsentiert!“Schweden behauptet, jenes Land zu sein, das gemessen an der Einwohnerzahl seit 1945 die größte Zahl an Flüchtlingen aufgenommen hat. In stets neuen Wellen kamen sie aus Polen, aus Ungarn und der Tschechoslowakei, aus Lateinamerika, aus arabischen Ländern und aus Bosnien. Zusammen mit anderen Einwanderern haben sie zum raschen Wachstum der katholischen Kirche beigetragen. Waren es 1945 gerade 5000 Katholiken, so sind es heute rund 165.000. Aber auch der Geburtenüberschuß und die vielen Konversionen sind Ursache des Wachstums.Seit Jahren wächst die Zahl der Gemeindemitglieder in St. Lars um bis zu fünf Prozent, und ein Drittel der 2400 Katholiken in Uppsala ist jünger als 18 Jahre. Aber auch mentalitätsmäßig ist die katholische Kirche in Schweden jung. Es herrscht ein guter Geist, mit Optimismus und neuen Ideen und vielen freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.Viele kleine GruppenViel zur guten Stimmung trägt bei, daß keine Gruppe vorherrschend ist, selbst nicht die schwedische. Nicht weniger als 70 Nationen sind in der Pfarrei vertreten. Gemeinsam formen sie die Oase Kirche. Ein bißchen Turmbau von Babel und Pfingstwunder in einem! Wenn beispielsweise die Polen das Wort „Sozialismus“ hören, sehen sie rot. Während unsere Chilenen damit nur an Begriffe wie Demokratie, Gleichberechtigung und Solidarität denken. Weil sie sich aber als Einheit trotz aller Verschiedenheit erleben, lernen sie bald Zuhören und Toleranz. „Katholisch“ – umfassend und universal – wird in diesem bunten Miteinander zur greifbaren Realität.Klaus Dietz SJ, Uppsala