Deutschland: Offene Jugendarbeit hilft, wieder Tritt zu fassen
Ausgabe: Jugendarbeit, Don-Bosco, Europa
04.08.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
„Irgendwie fetzt das hier!“ ist Mandy begeistert. Und die umstehenden Jugendlichen nicken ihr zu. „Die Schwestern sind echt gut. Denen sind wir wenigstens nicht egal.“ Anfangs, erzählt Mandy, habe sie gedacht: „Ordensschwester – naja . . . vielleicht ’n bißchen seltsam, aufpassen, Ordnung und so . . .“ Aber so sei es ganz und gar nicht. „Die Schwestern sind einfach da und leiten alles eher im Hintergrund.“Hier im Norden Magdeburgs – einem sozialen Brennpunkt der Stadt – gibt es seit fünf Jahren das Don-Bosco-Zentrum. Täglich treffen sich direkt unter der Kirche bis zu 80 Kinder und Jugendliche. Dabei war es eher zufällig, daß die Don-Bosco-Schwestern nach Sachsen-Anhalt kamen. Schwester Lydia meint, mit dem Fall der Mauer sei in ihrer Gemeinschaft der Wunsch entstanden, in den neuen Bundesländern beim Aufbau einer Kinder- und Jugendarbeit zu helfen.Der Anfang in Genthin sei gescheitert, und dann habe der Bischof von Magdeburg, Leo Nowak, sie kurzerhand in die Stadt geholt. In der Pfarrei St. Mechthild war ausreichend Platz, und in den Straßen und Hauseingängen lungerten viele Kinder, die mit ihrer Freizeit nichts anzufangen wußten. Seither hat das Don-Bosco-Zentrum einiges verändert in Magdeburgs Norden. Richtig austobenLangeweile kommt bei denen, die sich unter der St.-Mechthild-Kirche treffen, nicht mehr auf. Martin, der bis vor einigen Monaten zwischen den Betonplatten im Kalten herumlungerte, hockt jetzt mit seiner Clique hier. „Das ist total gut hier, was die Schwestern machen“, schwärmt er. Schwester Lydia spiele sogar Billard. Auch die anderen geben sich recht zufrieden mit den Möglichkeiten im Treff. Immerhin stehen hier vieles zur Verfügung: eine Holzwerkstatt und Tischtennisplatten, Billardtische und ein Dartspiel. An der Theke können sie jede Menge Spiele ausleihen, und natürlich gibt es da auch Getränke und Süßigkeiten. Richtig austoben können sie sich auf dem Ballplatz gleich hinter der Kirche. Inzwischen haben sich zwei verhältnismäßig starke Basketball- und Fußballteams gefunden, erzählt Schwester Lydia voll Begeisterung. „Bei Turnieren haben wir schon mächtig abgeräumt!“ Inzwischen stehen mehr als 30 Pokale in den Regalen. Seit September läuft zusätzlich ein „Mix-Volleyball-Treff“. Jeden Sonntag spielen bis zu 40 Jugendliche und junge Erwachsene. Zuflucht im KlosterAber nicht alles im Kinder- und Jugendzentrum verläuft reibungslos. Beinahe die Hälfte der 60 bis 80 Kinder und Jugendlichen, die täglich kommen, entstammen Problemfamilien oder sind straffällig geworden. Einige haben Erfahrungen mit Alkohol und anderen Drogen, auch Diebstahl ist etlichen kein Fremdwort. Ihnen möchten Schwester Lydia und ihr dreiköpfiges Team helfen, wieder Tritt zu fassen im Leben. Wenn es notwendig ist, gehen sie mit den Jugendlichen auch auf Lehrstellen- oder Arbeitsplatzsuche und greifen bei der Bewerbung unter die Arme. Mädchen und Frauen in Not können im Schwesternhaus auch mal für einige Wochen unterkommen. Viele Ideen geistern Schwester Lydia noch im Kopf herum, und sie weiß, nicht alles läßt sich verwirklichen. Manches scheitert am Geld, das nicht da ist, anderes an den Erwachsenen. Die wollen „immer alles so perfekt“, meint die junge Ordensfrau. Dabei wäre „noch viel mehr möglich, wenn wir uns nur auf die Jugendlichen einlassen würden“. Denen genügten als Unterkunft das einfachste Dach über dem Kopf, erinnert sie sich an eine Fahrt nach Bayern. „Wenn wir da den Vorstellungen der Erwachsenen gefolgt wären, mit Bett und Dusche, da hätten wir die Fahrt nie bezahlen können.“ Schwester Lydia und ihr Team freuen sich über das Erreichte. Ein wenig ist ihnen der Stolz auch anzumerken. „Sie hätten mal sehen müssen, wie die sich früher aufgeführt haben . . .“ Jetzt dagegen sei alles „beinahe tipptopp“. Die Jugendlichen halten selber alles sauber, und bei der letzten Renovierung des Kinder- und Jugendzentrums Don Bosco haben viele mit Hand angelegt.Thomas Lazar, Magdeburg