Diskussion über die Zukunft der diözesanen Kirchenpresse Österreichs
Ausgabe: 1998/35, Kirchenpresse
25.08.1998 - Hans Baumgartner
Eine „starke katholische Wochenzeitung anstelle der diözesanen Kirchenzeitungen“ streben die Medienverantwortlichen der Erzdiözese Wien an. Hans Baumgartner sprach darüber mit dem Medienexperten Thomas Bauer.Was sagen Sie als Außenstehender zu den Plänen des Kommunikationsdirektors der Erzdiözese Wien für eine gesamtösterreichische Kirchenzeitung?Bauer: Was dieses Vorhaben kirchenpolitisch bedeutet, kann ich nur vermuten. Ich sehe darin einen Ausdruck eines latenten Hegemonialstrebens der Wiener Diözese anderen gegenüber. Das hat, so meine Beobachtung, in der letzten Zeit wieder zugenommen. Von der Medienseite, also von der Sachebene her, halte ich es für den falschen Zug, bestehende Lokal- und Regionalmedien, soweit sie publizistisch und wirtschaftlich funktionieren, zu gefährden. Nichts ist wichtiger, als daß man ein lokales und regionales Kommunikationsnetzwerk schafft. Nur in diesen lokalen Mediennetzwerken kann man Themen aufgreifen, die die Leute unmittelbar berühren, die sie wiedererkennen wollen als etwas, das aus ihrem Erlebnisbereich kommt. Gerade für Fragen des Glaubens und der Lebensgestaltung scheint mir diese Nähe zur eigenen Lebenswelt besonders wichtig. Ich halte den engen Lokalbezug von Kirchenzeitungen auch deshalb für außerordentlich bedeutsam, weil man damit – ekklesiologisch gesprochen – ein Gemeindegefühl bauen kann. Ich würde sogar umgekehrt sagen, man sollte noch viel mehr auf ein Community- (gemeinschafts-) bildendes Medium hinarbeiten für überschaubare Räume, die sich kirchlich auch leicht definieren lassen über Diözesen oder Bundesländer. Wenn sich in Westösterreich eine Kooperation herausgebildet hat, um den Regionalcharakter möglichst gut zu erhalten und um überlebensfähig zu sein, dann sollte man dieses Modell fördern und nicht durch eine österreichweite Einheitskirchenzeitung mit untergeordnetem Lokalbezug ersetzen.Die Erzdiözese Wien hat angekündigt, daß es zu einer engen Kooperation zwischen der Kath. Presseagentur Österreichs (Kathpress) und der Wiener Kirchenzeitung kommen soll. Dazu soll auch eine personelle Verschränkung erfolgen. Wie sehen Sie das?Bauer: Die in der letzten Zeit kolportierten Wiener Personalpläne – Kathpresschef Erich Leitenberger soll gleichzeitig Chefredakteur der Wiener Kirchenzeitung werden – halte ich für äußerst problematisch. Aus meiner Sicht ist das ein klassischer Fall von Unvereinbarkeit, wenn der Chefredakteur der unabhängigen Nachrichtenagentur zugleich Chef einer diözesanen Kirchenzeitung sein soll. Das führt, wenn er beide Bereiche engagiert wahrnimmt, nicht nur unweigerlich zu Interessenskonflikten, das gefährdet auch das bislang hohe Ansehen der Kathpress als zwar katholische, aber im kirchlichen Pluralismus unparteiische und in Kontroversthemen offene Informationsquelle. Befürchtungen, die manche anläßlich der Umwandlung der Kathpress-Trägerschaft von einem Verein zu einem Institut der Bischofskonferenz geäußert haben, könnten dann nur zu schnell wahr werden. Kirchenzeitung und Kathpress sind zwei so grundverschiedene publizistische Bereiche, die sich, wenn sie in einer Hand lägen, gegenseitig in ihrer Glaubwürdigkeit sehr schaden könnten. Das könnte zu einem großen Flurschaden in der Medienarbeit der Kirche führen. Kooperationsmodelle der Kirchenpresse in Österreicho Modell „Westösterreichische Kooperation“: Die redaktionelle Gesamtverantwortung liegt jeweils bei den diözesanen Kirchenzeitungen. Die von einer Kooperationsredaktion gelieferten Beiträge zu überregionalen Themen ergänzen die bewußt lokal ausgerichteten Kirchenzeitungen. Jede Kirchenzeitung hat ihren eigenen Charakter.o Gesamtösterreichische Kirchenzeitung: Das „Wiener Konzept“ sieht eine „starke gesamtösterreichische Wochenzeitung“ mit diözesanen Regionalausgaben vor. Mindestens zwei Drittel der Zeitung werden unter der Leitung einer Zentralredaktion für alle gemeinsam erstellt. Die Lokalseiten werden in den hinteren Teil der Zeitung eingefügt. Das erleichtert einen gemeinsamen Druck, drängt aber das eigenständige Gesicht und die Diözesannähe der Zeitung stark in den Hintergrund.