Die Sprache ist biegsam. Doch wie wir sie benutzen, fällt auf uns selbst zurück. Leitartikel von Christine Grüll
Ausgabe: 2015/34, Leitartikel, Kleid, Sprache
18.08.2015
- Christine Grüll
Wir werden in sie hineingeboren, und doch wachsen wir in ihr und mit ihr und formen aus ihr einen Teil unserer Persönlichkeit: Die Sprache ist wie ein Kleid. Wirf es über, aber sei nicht achtlos dabei.
Die Sprache sieht immer anders aus. Sie schillert. Sie kommt selbstbewusst daher und vorsichtig, aggressiv und sanft, geradlinig und bis hin zur Lüge. Aber so biegsam sie auch ist – wie wir sie benutzen, das fällt auf uns selbst zurück. Denn Sprache ist eine Waffe, sagte der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky. Sie hält Wörter bereit, die ganz schön verletzen können. Nicht nur, wenn die Wörter gegen jemand anderen gerichtet sind. Sie hinterlassen immer auch ein Echo in dem, der sie ausspricht. Ein abfälliges, abwertendes, Angst machendes Echo.
Ein schönes Kleid soll sie sein, die Sprache. Sie soll schmücken und warm halten. Sie soll Halt geben. Ein Lob, ein zuversichtliches Wort motiviert, mit Freude in den Tag hinauszugehen. Die Sprache hält Wörter bereit, die ganz schön stärken können. Die ein Echo in dem hinterlassen, der sie ausspricht. Ein helles, frohes Echo.