Ähnlich wie von Sterben und Tod, ist es schwer von unserer Trauer zu reden und vielleicht noch schwerer, es zu tun. Deshalb möchte ich mich zunächst der Worte eines anderen bedienen und mit einem Gedicht von Detlev Block beginnen:Ja, die Sprachlosigkeit ist groß angesichts so viel dunkler Seiten des Lebens um mich herum, besonders in meinem Alltag im Krankenhaus. Ist es da nicht leichter, wegzuschauen und Sterne zu suchen? Vielleicht mag es aufs erste tatsächlich leichter sein, und es gibt bestimmt auch Zeiten, wo es gut und notwendig ist, das Positive trotz des Elends aufzuspüren. Und doch erlebe ich es immer wieder als hilfreich, das Dunkel zu betrachten.Wenn ich in einen dunklen Raum komme, sehe ich zunächst gar nichts. Es ist mir unheimlich, auch bange, ich weiß nicht, was jetzt auf mich zukommt. Erst nach einigen Minuten haben sich meine Augen daran gewöhnt, und ich beginne zu entdecken: auch das Dunkel ist nicht überall gleich dunkel. Da gibt es Schattierungen, da kann ich den einen oder anderen Gegenstand ausnehmen. Ähnlich ergeht es mir, wenn ein mir sehr naher Mensch stirbt. Da ist zunächst alles dunkel. Erst mit der Zeit kann ich meine Gefühle von Traurigkeit, Ärger, Angst, Unsicherheit und viele mehr differzieren und mitteilen.Hier hat sie mir gefehltIch denke jetzt an meine Großmutter. Ihr Sterben hat mich eine mir bis dahin unbekannte Einsamkeit spüren lassen. Ich konnte nicht einmal mitteilen, wie dunkel es da im Moment für mich war. Erst nach einigen Tagen der Leere, des Nicht-fassen-Könnens, konnte ich Fragen stellen: „Warum mußtest du sterben, so früh? Ich will nicht ohne dich. Ich kann es nicht begreifen.“ Und immer wieder: „Wo bist du?“ Es war nicht die Frage, ob meine Großmutter nun bei Gott ist oder nicht – darüber hatte ich keine Zweifel – es war der große Schmerz, sie nie mehr besuchen zu können, zu ihr heim zu kommen, nie mehr ihre Stimme zu hören, keine Briefe und Päckchen mehr von ihr zu bekommen. Sie war nicht mehr hier, so wie ich es gewohnt war! Wie sollte ich es verstehen, das Weiterleben, das im Himmel sein? Hier auf dieser Welt hat sie mir gefehlt. Und ich habe ihn gefragt, meinen Gott: Warum mußte sie gehen?Mir hat es gut getan, all diese Fragen zuzulassen und auszusprechen, immer wieder, über Monate hinweg. Und mit der Zeit haben sich andere Stimmen darunter gemischt. Viele Erinnerungen sind wach geworden. Ich habe Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdeckt, und immer öfter habe ich meine Großmutter bewußt in meinen Alltag einbezogen: Was würde sie mir jetzt sagen? Nun ist es fast drei Jahre her, daß sie hier auf der Erde tot ist. In mir aber ist sie sehr lebendig. Ich habe inzwischen eine ganz neue Beziehung zu ihr gefunden: eine sehr ehrliche Beziehung, in der wir uns in keiner Situation voreinander verstecken müssen.Heilsame TrauerWas ich mit diesem Artikel möchte, ist, Sie zum Trauern zu ermutigen. Und das Gefühl von Trauer überkommt uns ja nicht nur, wenn ein uns lieber Mensch stirbt, sondern auch in sehr alltäglichen Situationen, wenn eine Freundschaft zerbricht, wenn die Gesundheit verloren geht oder wenn im Altern die Kräfte schwinden. Trotz des Schweren daran, trotz der unterschiedlichsten Gefühle, die zu verbergen wir so gewohnt sind, trotz der vielen Tränen, es sind auch heilsame Situationen. Ich glaube nicht, daß ich heute eine solche Nähe zu meiner Großmutter haben könnte, wenn ich nicht so viel um sie geweint hätte. Und mir hat diese Erfahrung geholfen, auch um andere mir sehr wichtige Tote zu trauern, um mit ihnen zu leben. Die Toten, um die ich geweint habe und weine, sind für mich wie Sterne in dunklen Zeiten.