Die G7-Staaten wollen mit einer Initiative Armut und Hunger in sieben afrikanischen Ländern bekämpfen. Tansania ist eines davon. Das katholische Hilfswerk Mieserer steht dieser Initiative kritisch gegenüber und warnt in einer neuen Studie vor den Folgen von Landraub.
Ausgabe: 2015/34, Landraub, Tansania, Landwirtschaft, Entwicklung
18.08.2015 - Susanne Huber
Ein seit kurzem eingezäuntes Grundstück sorgt für Aufregung unter den 2200 Dorfbewohnern von Muwimbi in Tansania. Es handelt sich um eine riesige Plantage eines privaten Investors, der dort Futtermittel anbauen lässt, vor allem Mais und Soja für den Export. Der Zaun wurde entgegen vorher getätigter Absprachen gezogen. Den Einheimischen hatte man davor versprochen, dass es für sie einen Durchgang durch das Areal geben wird, damit sie mit ihrem Vieh weiterhin die Wasserstelle benutzen können, die sich innerhalb der Plantage befindet; und damit die Kinder der Dorfbewohner auch weiterhin ihren halbstündigen Weg zur Schule gehen können. Doch nun ist der Zaun da und der Investor plant, den Zugang für die Dorfbewohner zu kappen.
Kein Weg zum Wasser und zur Schule
Dieses Vorgehen „erzeugt Wut und Verunsicherung bei den Leuten, sie befürchten, ihr Land und ihren Zugang zu Wasser zu verlieren; dazu kommt, dass der Schulweg um die Plantage dann zwei Stunden dauern wird“, sagt Kerstin Lanje, Expertin für Ernährung und Welthandel beim katholischen Hilfswerk Misereor in Deutschland, die unlängst von einem Lokalaugenschein vor Ort zurückgekehrt ist.
Geplant: Eine moderne Landwirtschaft
Der Investor plant in Muwimbi, die moderne Landwirtschaft einzuführen. Unterstützt wird er dabei von der Initiative „Neue Allianz für Ernährungssicherheit in Afrika“ der G7-Staaten. „Mit Hilfe von privaten Investoren, darunter große internationale Konzerne, soll auf einer Fläche so groß wie Italien – das ist ein Drittel Tansanias – ein Wachstumskorridor, SAGCOT genannt, mit moderner industrieller Landwirtschaft entstehen, die rund zwei Millionen Menschen innerhalb von 20 Jahren aus der Armut befreien soll“, erzählt die Ernährungsexpertin. Kleinbauern, die dort leben, sollen in die globalen Wertschätzungsketten einbezogen werden. Dazu ist eine Infrastruktur geplant.
Studie zum Projekt "Recht auf Nahrung"
Im Rahmen einer gemeinsamen Studie von Misereor mit verschiedenen Universitäten, der Heinrich-Böll-Stiftung und der Caritas zum Thema „Das Recht auf Nahrung“ wurde anhand vier tansanischer Dörfer, darunter Muwimbi, untersucht, ob die neue Strategie in dem afrikanischen Land dem Recht auf Nahrung entgegenkommt oder dem widerspricht. „Das Ergebnis ist, dass es in den betroffenen Dörfern zu vielen Schwierigkeiten kommt. Den Gemeinden werden Versprechungen gemacht wie der Bau von Schulen, Zugang zu Apotheken und Gesundheitseinrichtungen, der Bau von Straßen oder Arbeitsplätze, von denen sie sich auch ernähren können. Doch all dieses Versprechungen wurden nicht gehalten. Die Bauern werden in die Prozesse, die laufen, nicht mit einbezogen. Sie wollen ihr Land nicht verlieren. Doch genau das passiert.“ Regierungspolitik sei, 20 Prozent des so genannten village land in Regierungsland zu überführen, damit es frei werden kann für Investoren, sagt Lanje. Eine wichtige Forderung von Misereor ist deshalb die Sicherung der Landrechte.
Die Bedürfnisse von Kleinbauern
Die Regierung habe die Vorstellung, dass mit Hilfe privater Investoren mehr Kapital ins Land fließt und man mit Agrarmodernisierung es schaffen kann, zwei Millionen Menschen aus der Armut zu befreien, so Lanje. „Wir zweifeln an, dass diese Strategie aufgeht. Das würde bedeuten, dass die Probleme an den Kleinbauern liegen. Das ist aber nicht der Fall, denn ihre landwirtschaftlichen Schwierigkeiten sind lösbar. Zu den Hungernden in Tansania gehören vor allem die Kleinbauern, die nicht genug zu essen haben. Will man den Hunger bekämpfen, dann müsste man sich an den Bedürfnissen der Kleinbauern orientieren und mit ihnen entwickeln, was sie wirklich brauchen.“