Während rund 20.000 Menschen in Wien für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen demonstrierten, wurde am Abend des 31. August 2015 bei einem Gottesdienst im Stephansdom der 71 toten Flüchtlinge von der A4 gedacht. In Stellungnahmen aus den Kirchen wurde unterdessen der Ruf nach einer verantwortungsvolleren EU-Politik laut.
„Es ist genug! Genug des Sterbens, genug des Leides und der Verfolgung. Wir können nicht mehr wegschauen.“ Die Pummerin war eben verklungen, da leitete Kardinal Schönborn den Gottesdienst, zu dem fast die gesamte Bundesregierung gekommen war, mit diesen Worten die Eucharistiefeier ein. In seiner Predigt sagte der Kardinal, mit dem unter anderem Militärbischof Werner Freistetter und Weihbischof Franz Scharl konzelebrierten: „Man konnte ahnen, dass es zu großen Migrationen kommen wird. Jetzt ist es Realität. Und es wird Realität bleiben. Und es wird unser Leben verändern. Der schreckliche Tod auf der A4 hat uns bewusst gemacht, dass wir keinen anderen Weg haben, als gemeinsam uns dieser Realität zu stellen.“
„Es ist möglich“
Den vielen Flüchtlingen zu helfen, sei möglich, aber nicht einfach, betonte der Kardinal. Er kritisierte, dass die Lasten in Europa ungleich verteilt seien und manche Länder nur minimal Flüchtlinge aufnähmen. Es sei aber keine Schande, dass unser Land bei Flüchtlingen einen guten Ruf hat. Schließlich dankte Schönborn allen, die sich um die Flüchtlinge kümmern – bei der Erstaufnahme, bei der Exekutive und den karitativen Organisationen, den Freiwilligen – aber auch den „oft gescholtenen Politikern“. Am Ende seiner Predigt nannte der Kardinal die Situation einen „sehr ernsten Test“, ob in Österreich das christliche Erbe noch lebe, oder „schon Makulatur“ geworden sei. Die Kirchen wie alle anderen Religionsgemeinschaften seien gefordert, mehr zu tun.
„Mittäterschaft“
Von dem Tod von 71 Flüchtlingen auf der A4 hatten sich Vertreter der Ökumene in Österreich – von der katholischen über die evangelischen bis zu den orthodoxen Kirchen – schockiert gezeigt. Verbunden waren viele Stellungnahmen aber auch mit der Forderung, legale Wege für die Flüchtlinge in die EU zu schaffen, damit diese nicht auf die Schlepper angewiesen sind. Besonders scharfe Kritik äußerte der burgenländische Bischof Ägidius Zsifkovics, der in der Bischofskonferenz für die Kontakte zur Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft zuständig ist: Vorfälle wie jener auf der A4 seien erst durch die „derzeitige europäische Untätigkeit“ möglich, die „eine subtile Form der Mittäterschaft“ sei. Zsifkovics forderte die Bundesregierung auf, „mit viel mehr Entschiedenheit als bisher“ von der EU eine gesamteuropäische Strategie als Antwort auf die aktuelle Flüchtlingskatastrophe einzufordern.