Ausgabe: 1999/22, Überfall, Sr. Gratias, Sr. Bernadette, Kosovo
01.06.1999
- Walter Achleitner
Der Überfall auf die beiden Pioniere der Flüchtlingsarbeit in Albanien zwingt Sr. Gratias und Sr. Bernadette zum Verschnaufen.
Nachdem die ersten Bomben auf Jugoslawien fielen und die Flüchtlingswelle aus dem Kosovo in Albanien einsetzte, waren die Franziskanerinnen Sr. Gratias Ruf und Sr. Bernadette Ebenhoch die ersten, die am Grenzübergang Morina Lebensmittel verteilten. Von Fushe-Arrez aus, wo sie vor vier Jahren eine Missionsstation aufgebaut haben, sind sie in den vergangenen acht Wochen täglich die dreieinhalb Stunden lange Strecke zur Grenze gefahren, um zu helfen: „Wenn man nur 700 Brote hat, aber weit mehr Hungrige anstehen, dann wünscht man sich, die Brotvermehrung werde Wirklichkeit.“ Daß sie dennoch so viel verteilen konnten, war durch die Hilfe von Freunden – auch aus Österreich – möglich. Doch am 20. Mai wurde ihrem unermüdlichen Einsatz gewaltsam ein vorläufiges Ende bereitet. Um 1.30 Uhr drangen fünf Maskierte in das Haus ein und zwangen zur Herausgabe des Geldes. Sonst würden sie den kleinen Zefi töten, der als Waise im Kloster mitlebt.
Erst nachdem Sr. Gratias das Klebeband um ihren Mund durchgebissen und die Fesseln gelöst hatte, konnte sie für ihre schwer verletzte und ebenfalls geknebelte Mitschwester Hilfe holen. Diese kam per Hubschrauber aus dem Österreich-Camp. Der finanzielle Schaden sei weit geringer, als von den Medien in Österreich dargestellt. Die neu entfachte Angst unter den Kosovaren zeige jedoch viel schlimmere Folgen. Und die beiden Frauen müssen sich vorerst vom Schock und den Verletzungen erholen.
„Nach dem Überfall auf uns leben die 740 Flüchtlinge hier in Fushe-Arrez erneut in großer Angst. Doch jetzt wurden 43 italienische Carabinieri in unserem Haus stationiert.“Sr. Gratias Ruf