Gegen Ende des 2. Weltkrieges lieferten sich amerikanische und deutsche Piloten über Pichl bei Wels, Kematen und Krenglbach ein Luftgefecht, bei dem mehrere Männer an Bord der Maschinen ihr Leben verloren. Ein Treffen führte Angehörige letzte Woche an den Schauplatz der Ereignisse von damals. In Pichl, Krenglbach und Steinerkirchen am Innbach, reichte man sich die Hand zur Versöhnung.
Während sich dort in berührenden Begegnungen Menschen aus früher verfeindeten Lagern trafen, um sich über die Geschichte auszutauschen, machte sich im Krieg im Kosovo Friedenshoffnung breit.
Zu Redaktionsschluß dieser Ausgabe waren die Verhandlungen um den möglichen Frieden vom Scheitern bedroht. Ein schneller Friedensschluß ist nötig, um die Menschen in der Region endlich von der Angst um ihr Leben zu befreien. Bis der Friede wirklich auch in die Herzen der Menschen zurückkehrt, ist der Weg lang. Wie das Beispiel des Innbachtales zeigt.
Spurensuche und Versöhnung nach 55 Jahren
Angehörige von US-amerikanischen Fliegern besuchten die Absturzstellen ihrer Verwandten
Während von Italien aus NATO-Bomber wieder Angriffe gegen Serbien flogen, gedachten in Steinerkirchen und Pichl bei Wels amerikanische Gäste ihrer im 2. Weltkrieg gefallenen Lieben. Auch sie waren in Bombern aus Italien gestartet…
Ein lauer Abend letzte Woche. Nach einem Wortgottesdienst in der Pfarrkirche Steinerkirchen am Innbach trifft man sich in Pichl zu einem „kulturellen Abend“ im Gastgarten. Acht amerikanische Gäste sitzen mit Mitgliedern der Projektgruppe „Heimatgeschichte“ Pichl zusammen. Die „Krenglbacher Hausmusik“ spielt auf, die Volkstanzgruppe gibt ihr Bestes. Doch am Tisch wird weniger über Brauchtum geredet als über die Ereignisse von damals. Damals, das ist der 23. Februar 1944, als über Krenglbach, Kematen und Pichl ein Luftkampf tobte. In jeder der drei Gemeinden stürzte eine amerikanische Maschine ab. Angehörige der beiden abgeschossenen und getöteten US-Flieger Hugo Paggi und Samuel Artzer sind nun – mehr als 55 Jahre später – nach Oberösterreich gereist, um die Absturzstellen zu besuchen. Zwei Tage lang waren sie in den Gemeinden unterwegs, ein Abend war für die Begegnung mit Zeitzeugen reserviert. Fachkundiger Begleiter ist Dipl. Ing. Wolfgang Neuwirth aus Pichl, der jedes Detail über die Abstürze erforscht hat. Im letzten Herbst traf man sich ungeplant im globalen Computernetz Internet: Neuwirth einerseits, der einige Namen der Flieger kannte und die Angehörigen andererseits, die Näheres über den Abschuß wissen wollten. Der Kontakt war geschlossen, nun kam es zur persönlichen Begegnung.
Opfer auf beiden Seiten
Einer der gefallenen Amerikaner war der Navigator Hugo Paggi, knapp 24 Jahre alt. Mit 13 Freunden hatte man am Neujahrstag 1941 gelobt, zur Armee zu gehen. Keiner der Burschen überlebte den Krieg. Joan und Margret, zwei von Hugos Schwestern, waren mit ihren Männern Teil der Gruppe, die nach Österreich kam. Die Schwestern wissen noch manches Detail von ihrem Bruder und sie erinnern sich genau an den Tag, als das Telegram mit Hugos Vermißtmeldung eintraf. Mit Hugo Paggi starb über Kematen auch Samuel Artzer (24). Bombenschütze Artzer hinterließ eine Frau und eine kleine Tochter, deren Schreien er ein einziges mal am Telefon gehört hatte. Artzers Schwiegersohn war ebenfalls Mitglied der Besuchergruppe. Neuwirth fand auch heraus, wer die amerikanische B-24 abgeschossen hatte. Es war Otto Haas, Bäcker in Offenhausen, der nahe seinem Heimatort das Luftgefecht erleben mußte. Überlebt hat er es nicht, er wurde ebenfalls getroffen und stürzte kurz darauf wahrscheinlich bei Andorf ab. Seine Frau lebt noch. Sie war schwanger, das Kind sah den Vater nie. Solche Geschichten gehen unter die Haut. Sie sind lehrreicher als manche Friedenstheorie. Sie bringen Menschen zusammen und berühren tief. Einen der amerikanischen Gäste, Paggis Schwager Victor, sogar so tief, daß er am Tag nach dem Zeitzeugengespräch zum ersten Mal im Leben vergaß, sich zu rasieren.
Geschichtlicher Hintergrund
Als die Bomber kamen
Die Woche vom 20. bis 25. Februar 1944 bekam den Namen „Big Week“ („Große Woche“). Hunderte Bombenangriffe wurden von Stützpunkten um Focca in Süditalien gegen das damalige Deutsche Reich geflogen. Am 23. Februar 1944, es war Aschermittwoch, wurde die Industriestadt Steyr und damit Oberösterreich Ziel der ersten Bombenangriffe. 102 Maschinen der 15. US-Luftflotte vom Typ B-24 starteten aus Süditalien in Richtung Norden. Insgesamt wurden 564 Bomben (250 kg-Sprengbomben) abgeworfen, in Steyr zählte man 15 Tote und 45 Verletzte. An diesem 23. Februar wurden Piloten der deutschen Luftwaffe von Wels, Seyring und Fels am Wagram (NÖ) sowie von Bayern aus in den Luftraum über dem Innbachtal gesandt. Kurz vor 12 Uhr trafen die Maschinen in ca. 7000 Höhenmetern aufeinander und gerieten in erbitterten Luftkampf. 17 amerikanische Bomber und 7 deutsche Maschinen stürzten ab, 49 Besatzungsmitglieder starben.