Mehr als 400 junge Menschen haben seit den Anfängen des Arbeitsprojektes „Vehikel“ im Jahr 1983 durch professionelle Ausbildung und Sozialarbeit wieder Tritt fassen können in einer Welt, die für ihre Arbeitskraft schon nichts mehr übrig zu haben schien.
Vehikel, das ist eine Auto-Reparatur-Werkstatt in Pasching, nahe der Traunerkreuzung bei Linz. Vehikel ist aber noch viel mehr: Ein Ort, an dem Menschen jungen Leuten mit einer Karriere des Scheiterns helfen, wieder eine Tür in die Zukunft zu finden. Jungen Leuten, die schon alles hingeschmissen haben. Jungen Menschen, denen viele unter uns die Hand nicht mehr entgegenstreckten.
Die ausgestreckte Hand des Vehikels aber hat ihrerseits hunderte Jugendliche aus dem Sumpf der gesellschaftlichen Gleichgültigkeit gerissen. Das ist Herberge-Geben heute. Eine Haltung, die sich den Solidaritätspreis der Kirchenzeitung verdient hat.
Vehikel in die Zukunft
Das „Vehikel“ ist für hunderte Jugendliche eine Tür in eine gute Zukunft
„Hier darf ich auch Fehler machen“, sagt Isabelle Köck, und Harald Haberfellner lobt die Ausbildung: „Hier lerne ich viel mehr, weil mir mehr zugetraut und zugemutet wird.“Es sind keine Einzel-Erfahrungen, die die beiden im „Vehikel“ machen. Isabelle holt nach positivem HTL-Abschluss (wobei sie zur Matura nicht angetreten ist) die Mechanikerlehre nach; Harald erhält eine Spengler-Anlehre. Wie sie erhalten im Vehikel weitere 45 Jugendliche, die Probleme hatten, Arbeit zu bekommen, eine Ausbildung – als Mechaniker- bzw. Karosserie-Lehrlinge oder in der Anlehre zum qualifizierten Mechaniker- bzw. Spenglerhelfer oder im Arbeitstrainings- und Aufbaukurs. 18 Betreuer/innen stehen ihnen dabei zur Seite.
Mehr als 400 Jugendliche
Die Ausbildungsmaßnahmen des „Vehikel, Verein zur Förderung der beruflichen Qualifikation arbeitsloser Jugendlicher“ in Wagrain, Pasching, sind von unterschiedlicher Dauer und bestehen auch unterschiedlich lang. 1982 von Mitarbeiter/inne/n des Bewährungshilfe-Wohnheimes gegründet, ist das Vehikel seit 1983 im Betrieb und reagiert mit immer neuen Angeboten auf den Bedarf. 401 junge Menschen waren seither hier beschäftigt. Vielen war es ein Sprungbrett in eine fast schon verschlossene Zukunft.
Paul und Ralf sind Mechaniker-Lehrlinge. Ihre Lebensgeschichte ist ähnlich: Schulabschluss, arbeitslos bzw. nach 20 Monaten die Lehre abgebrochen, mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, „gesessen“, auf dem Arbeitsmarkt ungefragt. Dann wurden sie auf das Vehikel aufmerksam, und eine Tür tat sich auf. Ähnlich ging es auch Patrick. Er kam zwar nicht mit dem Gesetz in Konflikt, hatte aber seine Chancen verspielt, als er eine Lehre abgebrochen hatte. Und Harald hat ein Vorstell-Karriere hinter sich. Bei etwa 25 bis 30 Firmen bewarb er sich, doch sein eigenwilliger Kurzhaarschnitt gefiel nicht. Den aber wollte er nicht aufgeben, denn „ich will so sein, wie ich bin, nicht eine Maske tragen“.
Für sie und viele andere mit Handicap-Lebensgeschichten bedeutet(e) das Vehikel eine Chance mit gezielter Unterstützung, auch bei belasteter Vorgeschichte. Wenn man dann noch weiß, dass bis zu drei Viertel der Vehikel-Projektteilnehmer/innen in den Regelarbeitsmarkt integriert werden, steigt der Respekt. Wenn man zudem weiß, dass das Vehikel das oö. Sozialprojekt mit der höchsten Eigendeckungsquote ist (relativ am wenigsten öffentliche Gelder braucht), erscheint die Leistung noch beeindruckender.
Der Respekt wächst weiter, wenn man erfährt, dass das Vehikel europaweit das einzige Auto-Reparatur-Projekt ist, weil man meint, Auto-Werkstätten sind als Arbeitsprojekt ungeeignet. Dann muss aber unbedingt auch noch gesagt werden, dass im Vehikel die Lehrausbildung zum Mechaniker nur zwei Jahre dauert und nicht, wie im dualen Ausbildungssystem üblich, dreieinhalb. Es muss noch ergänzt werden, dass die Vehikel-Lehrlinge sehr gut bei den Lehrabschluss-Prüfungen abschneiden und dann gesuchte Leute sind. Ein Erfolg, für den Patrick, Ralf, Paul und Isabelle einen wichtigen Grund nenne: Unterricht und Praxis bilden im Vehikel eine Einheit. Lehrsaal und Werkstätte gehören zusammen.
Vehikel im Zeitraffer
1982 gegründet 1983 Beginn des Arbeitstrainings 1984 Beginn der KFZ-Werkstätte und des sozialökonomischen Betriebs 1989 Beginn des KFZ-Kurses 1996 Beginn des Karosseur-Kurses
Nicht nur ein Job, eine Ausbildung!
Kämpfen ums Überleben
1997/98 stand das Arbeitslosenprojekt „Vehikel“ (siehe auch linke Seite) vor dem Aus. Das Arbeitsmarktservice kündigte die Finanzierung auf. Eine Mitteilung wie eine Bombe, die in Zeiten des Sparkurses und der wechselnden politischen Vorrangigkeiten viele Sozialprojekte ähnlich getroffen hat. Die Vehikel-Leute beschlossen, um ihr Projekt zu kämpfen. In Landesrat Ackerl und der Oö. Landesregierung fanden sie Mitkämpfer, die schließlich zu finanziellen Garanten wurden, zumindest für eine Zeitlang. Dem Projekt ist damit eine dreijährige Verschnaufpause gegönnt. Die Kirchenzeitung würdigte diesen Einsatz und die Arbeit seit 1983 heuer mit dem Solidaritätspreis.Es ist eine Würdigung, die um die Situation der Jugendlichen weiß, die im Vehikel gut aufgehoben sind. „Ich glaube, wenn ich da nicht anfangen hätte können, hätten sich meine Konflikte mit dem Gesetz gehäuft“, sagt einer der Vehikel-Projekt-Teilnehmer. „Einen Job hätte ich wahrscheinlich schon gefunden, aber keine Ausbildung“, sagt ein anderer. „Da kannst noch so ein guter Arbeiter sein, mit diesen Problemen kriegst keine Chance.“ – Stimmt nicht. Er hat seine Chance gefunden, eine Lehrstelle im Vehikel. Dazu gehören auch Praktika in anderen Betrieben, wobei sich viele schon für eine neue Arbeitstelle empfahlen.