Wer täglich zu den Stoßzeiten mit dem Zug fährt, fragt sich: Wie wird heute die Suche nach einem Sitzplatz enden? Ein Unter Uns von KiZ-Redakteur Josef Wallner.
Ausgabe: 2015/46
10.11.2015
- Josef Wallner
Man stößt auf ganz unterschiedliche Charaktertypen. Da sind einmal die Vorausschauenden. Sie geben ihren Rucksack oder ihre Tasche unverzüglich beim Einsteigen in die Gepäckablage. Damit kann man sich ohne Probleme neben ihnen niederlassen. Dann kommen die Müden, die erschöpft von der Arbeit die Tasche einfach auf den Nebensitz stellen. Sobald sie jemanden auf diesen Sitz zusteueren sehen, sagen sie schon „Entschuldigung“ – und verstauen ihre Gepäcksstücke bei ihren Füßen. Gar nicht so wenige gehören zur Spezies der kleinen Egoisten. Sie müssen laut und deutlich gefragt werden, ob dieser Platz neben ihnen, den sie mit ihrem Gepäck besetzt halten, noch frei ist. Mit einem Gesichtsausdruck, der Angewidertsein über die Zumutung dieser Frage widerspiegelt, und mit einem Tempo, das an Superzeitlupe erinnert, machen sie den Sitz frei. Man möchte sich beinahe entschuldigen, dass man ihnen einen Platz, den sie gar nicht bezahlt haben, wieder wegnimmt. Ganz selten trifft man auf richtige Ekel, die mit der Lüge, dass noch jemand kommt, zwei Plätze blockieren. Aber die vergisst man am besten.