15.05.2001 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Marianne Grüllenberger
Leben empfangen – Leben schenken. Marianne Grüllenberger aus Mauthausen hat als Hebamme laufend mit dieser Grunderfahrung zu tun.
Im Jahr 1981 absolvierte ich in Innsbruck ein freiwilliges soziales Jahr in der offenen Altenbetreuung. In diesen Monaten hatte ich Zeit, mir über meine berufliche Weiterentwicklung klar zu werden. Die Arbeit mit Menschen war für mich immer von großer Bedeutung. So entschied ich mich für den Weg als Hebamme. Hebamme sein ist für mich mehr als ein Beruf. Er strotzt vor Leben und Hoffnung, beinhaltet Angst und Zuversicht, Offenheit und Verschlossenheit, Freude und Leid. Es ist eine Herausforderung, am Leben zu wachsen und zu reifen, ebenso wie am Sterben. In diesen 17 Jahren der Hebammentätigkeit habe ich viele Höhen und Tiefen in mir und auch mit den werdenden Familien erlebt. Nicht alle Babys kommen gesund oder lebend zur Welt. Manche verabschieden sich vom Leben noch bevor sie geboren werden. Das ist eine sehr schmerzliche Erfahrung für alle Beteiligten. Hier erfordert es sehr viel Einfühlungsvermögen. Oftmals ist mein Dasein in solchen Situationen mehr wert als so manches leere Wort des Trostes. Für mich ist es wichtig, dieser Fassungslosigkeit Raum zu geben. An solchen Tagen wird mir bewusst: Es ist nicht selbstverständlicht, ins Leben geboren zu werden. Trotz unserer modernen Technologie haben wir nicht alles im Griff. Gerade deswegen erfüllt mich jede Geburt mit unendlicher Leichtigkeit und Dankbarkeit. Als Hebamme darf ich Menschen ein Stück ihres Weges begleiten. In ihren Ängsten vor Schmerz oder es nicht zu schaffen – bin ich da. In ihrer Hoffnung und Sehnsucht auf etwas Neues und Ungewisses – ich bin da. In ihrer Ablehnung dem Neugeborenen gegenüber – bin ich da. In ihrer Freude und Kraft über das neue Leben – bin ich da. In ihrer Traurigkeit über Behinderung und Tod – bin ich da. Ein ständiges Kommen und Gehen, Kennenlernen, Abschiednehmen.
Keine Geburt gleicht der anderen
Der Weg als Hebamme ist sehr abwechslungsreich und individuell. Keine Geburt ist gleich. Ich darf mich bei allen werdenden Eltern aufs Neue einstellen. Dabei begegne ich Menschen, die sehr kreativ und eigenverantwortlich sind und meine Anwesenheit kaum benötigen. Andere wiederum nehmen mein Dasein, meine Unterstützung in Anspruch. In diesem Augenblick geht jeder den Weg, den er im Moment am besten gehen kann, um das neue Leben in Empfang zu nehmen. Eine Geburt ist eine Grenzerfahrung und braucht ein Ja zu sich selbst und zu einem Neubeginn. Es ist eine Gratwanderung zwischen Erfüllung und Verzweiflung. In der Begleitung dieser Familien durfte auch ich viele Grenzen erfahren, die mich sehr bereichert haben. Ich bedanke mich bei allen Familien, die ich begleiten durfte. Meinen Kindern und meinem Mann bin ich dankbar für die Erfahrung, Leben empfangen und schenken zu dürfen. Ein neues Leben ist immer eine Botschaft, dass Gott es gut mit uns meint. Wir können dabei lernen, mit Leben achtsam, liebevoll und mit Freude umzugehen. Ich habe einen Beruf gewählt, der mich immer wieder aufs Neue mit Leben in Verbindung bringt und mich aus diesen Erfahrungen und Erlebnissen schöpfen lässt. Dass auch Sie vom Leben berührt werden und es nach Ihren Träumen und Visionen gestalten – dass auch Sie sich erinnern, warum Sie leben – wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.
Kommentar:
Berufung hautnah
Wer meint, für den Dienst an Menschen berufen zu sein, weicht Menschen nicht aus. Kaum ein anderer Beruf drückt es so bildhaft aus wie gerade der Beruf der Hebamme, worum es bei Berufung geht: Ins Leben helfen, das Licht der Welt erblicken helfen! Darum geht es auch in der Seelsorge.
Es gibt so viele „Gefahrenstellen“, durch die hindurch geboren werden muss. Leben ist so zerbrechlich. Hebammen haben ihn gelernt – diesen gleichermaßen behutsamen wie entschiedenen Zugriff im rechten Moment. Sie haben keine Scheu vor dem Lebensblut.
Berufene helfen, das Licht des Lebens zu erblicken, sie geben die von Gott geschenkte Ahnung von der Größe des Lebens weiter. Sie beleuchten die Lebensspur, die Christus gelegt hat.
Konkret:
Für Frauen
Ein Ort für Stille, Begleitung und Gebet – das ist das „kleine Haus“. Dort kann man sich auf die Suche nach dem eigenen Weg machen und die Spuren Gottes entdecken. Zugleich bietet sich das Haus als Kontaktstelle für Frauen zwischen 25 und 45 Jahren, die alternative Formen von Gemeinschaft und Vernetzung suchen.