Man kann sie nicht leicht aus der Fassung bringen. In dieser Nacht schon. Da erschraken sie. Sehr sogar.
Dort, auf freiem Feld, wurde die Weihnachtsbotschaft erstmals verkündet. Nicht in einem stimmungsvollen Andachtsraum also, nicht in einer für Religiöses extra errichteten Synagoge oder in einem Tempel, auch nicht – aber da wäre ja das Jahrhundert das falsche gewesen – über Fernsehen oder gar Twitter. Während der Nachtwache noch dazu. Zur Zeit also, zu der man sich nicht gern stören lässt und in der die Hirten bloß aufpassen mussten, dass nichts Schlimmes passiert.
Der erste Satz ist es, der aufhorchen lässt: „Fürchtet euch nicht.“ Das ist die erste Botschaft, die vom Weihnachtsgeschehen nach außen drang – mit unbeschreiblicher Wirkung.
Da kehrt sich die Angst um in Freude. Kein Dunkel der Welt mag sie mehr zu vertreiben. Im Gegenteil: Gerade im Dunkel wird sie geboren – und hat einen Namen. Jesus. Ein Kind.
Das Bild
Rembrandt van Rijn (1606–1669) hat es im Gemälde „Anbetung der Hirten“ großartig ins Bild gefasst: Der Großteil des Bildes ist geprägt vom Schwarzdunkel der Nacht. Bald würde es ganz zugedeckt sein, könnte man erwarten. Doch was ins Auge fällt, ist nicht das Dunkel. Es ist das Licht. Es breitet sich aus, schafft eine Blase aus Licht. Eine einzige Quelle gibt es, von der das Licht kommt: das Kind in der Krippe. Es ist ein zärtliches Licht, eines, auf das man aufpassen muss, dass es nicht erlischt. Es erhellt die Gesichter der Umstehenden, treibt die Schatten des Zweifels aus den Furchen: Maria, Josef, die Hirten. Wie sie dastehen, neugierig über das Kind gebeugt. Auch der Hirtenbub mit seinem Hund rechts auf der Seite bekommt etwas ab vom Licht.
Da ist es nicht mehr Nacht. Keiner denkt mehr an die Angst. Und es werden noch andere kommen, Weise und Sterndeuter. Gottsucher aller Zeiten. Sie werden sich anscheinen lassen vom Licht.
Das ist das Ende des Schreckens. Es ist die Erlösung von der tiefsitzenden Angst, die so bedrohlich über dem Leben lastet: dass man es verlieren könnte – und dass man dann ins Dunkel stürzt. So tief fällt keiner mehr, dass dort nicht Hände wären, die ihn hielten.
Im Licht der Taufe
So wird es gewesen sein. Man kann doch die Arbeit nicht liegen lassen. Sie kehrten zurück auf das Feld. In der Nacht noch, vermutlich. Zurück ins alltägliche Leben. Dort spielt es sich ab jetzt.
Der Lichtschein, den Rembrandt in die Szene gemalt hat, hat für Christinnen und Christen mit der Taufe zu tun: In diesem neuen Licht leben sie. Mit dieser grundsätzlichen Zuversicht, die in die Welt geboren wurde: dass das Leben – mein Leben auch – unendlich kostbar geworden ist in diesem Licht.
Es gibt Leute, die sagen, so altmodische Begriffe wie
„Gnade“ solle man nicht mehr gebrauchen. Aber wer wüsste ein schöneres Wort? Begnadet. Von Gottes Liebe beschienen. Beschenkt – und gehalten. Das ist Weihnachten – und Ostern zugleich.
Gesegnete Weihnachten
Mit dieser Ausgabe geht ein Arbeitsjahr in der KirchenZeitung zu Ende. Das siebzigste war es seit der Gründung im Oktober 1945.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest. Etwas vom Licht, das von Rembrandts Hirtenbild ausstrahlt, möge auch in Ihr Leben strahlen. Für das Jahr 2016 wünschen wir Gesundheit und Freude.
Redaktion, Verlag und Herausgeber Ihrer KirchenZeitung